Zwei Dinge vermisst der Berliner: trotz vieler Seen … das Meer – trotz der Trümmerberge … richtige Berge.
Den zweiten Wunsch erfĂĽllt er sich mit einer Zweitwohnung im 250 km entfernten Harz. FĂĽr den ersten Wunsch braucht er eine Verbindung zur Ostsee.
Die dazu notwendige Verbindung zwischen den FlĂĽssen Havel und Oder war der erste Finowkanal. KurfĂĽrst Joachim Friedrich lieĂź 1603 die Havel bei Liebenwalde ĂĽber das FlĂĽsschen Finow mit der Oder verbinden. Schon 1609 war der erste Abschnitt mit fĂĽnf Schleusen bis Finowfurt fertiggestellt. Danach ging der Bau wegen Geldmangels nur schleppend voran. SchlieĂźlich konnte 1620 der erste Frachtkahn den Kanal befahren.
Im 30-jährigen Krieg verwahrloste der Kanal, geriet in Vergessenheit und wurde erst durch Friedrich II. als zweiter Finowkanal wiederhergestellt. 1746 wurde er für den Verkehr freigegeben, später in östliche Richtung erweitert und mit mehreren Kanalstufen versehen. Metallverarbeitende und chemische Industrie siedelten sich an („Märkische Wuppertal“) und sorgten für wirtschaftlichen Aufschwung. Aufgrund stärkeren Verkehrsaufkommens wurden Nachtschleusungen und schließlich der Bau paralleler, größerer Schleusen notwendig.
Damit genau zwei Schiffe in die Schleusen passten, mussten die Schiffe genormt sein. Das FinowmaĂź wurde zum ersten deutschen BinnenschiffmaĂź.
Der Finowkanal ist damit die älteste künstliche Wasserstraße in Deutschland, die noch in Betrieb ist: 43km lang meistert sie einen Höhenunterschied von 38m. Der Kanal steht unter Denkmalschutz ebenso wie die älteste noch betriebsfähige Schleuse im Bereich der märkischen Wasserstraßen: Eberswalde (1831).
Mit dem neuen Oder-Havel-Kanal (1914) verlor der Finowkanal an Bedeutung. 1972 kam der kommerzielle Schiffsverkehr auf dem Finowkanal völlig zum Erliegen. Nur ein Abschnitt („Langer Trödel“) bei Liebenwalde wurde 2016 wieder für den Bootsverkehr geöffnet.
Garn zur Papierfabrik, Eisenerze, Koks und Formsand zur Eisengießerei wurden über den Kanal verschifft und zu DDR Zeiten auch Kampfer und Tapetenkleister. Die Industrieabwässer wurden ungereinigt in den Kanal geleitet – oft stank er kilometerweit.
Am Ende des Oder-Havel-Kanals in Niederfinow, überwindet das älteste noch arbeitende deutsche Schiffshebewerk „Niederfinow” (1934) – heute ein Industriedenkmal – einen Höhenunterschied von 36m. Zurzeit wird parallel zum bisherigen Hebewerk das Schiffshebewerk „Niederfinow Nord” für größere Schiffe errichtet. Es soll ab 2025 das alte ersetzen.
Der Ausbau des Treidelweges von Finowfurt bis zum Schiffshebewerk Niederfinow zu einem Rad- und Wanderweg lässt den Finowkanal heute „touristisch erblühen”.
Da in der Binnenschifffahrtstraßenordnung die Bergfahrt auf der Havel-Oder-Wasserstraße die Fahrt Richtung Oder ist, ergibt sich für das Schiffshebewerk Niederfinow die Besonderheit, dass man „zu Berg“ fährt, während sich der Trog nach unten bewegt.
© Heinz-Dieter Brandt 2021-05-28