von Berit Glaser
Boah, jetzt war ich so müde wie schon lange nicht mehr. Also so profunde, abgrundtiefe Müdigkeit mein ich, wo man weinen könnt, weil man auf der Couch sitzt und das Bett aber im Zimmer ist und man im ersten Moment überhaupt gar keine Ahnung hat, wie mans dort hinschaffen soll. Und jetzt vielleicht Körpergedächtnis, is sie mir wieder eingefallen, die schlimmste Müdigkeit meines Lebens. Die hat mich vor ein paar Jahren in New York überrollt. Es ist November, ich steh in Manhattan und plötzlich trifft sie mich von jetzt auf gleich. Nicht kommen gesehen hab ich sie. Woher auch, monatelang ist alles gut gegangen: Hart produktiv sein, härter feiern, ständiges Schlafdefizit aber tausend Energien und alles so großartig und aufregend, dass sich alles ausgeht. Dass ich keinen eigenen Schlüssel zur Wohnung in Brooklyn hab, damit der böse „landlord“ nicht rafft, dass ich da auch lebe? Kein Problem! Weil hey, was kostet die Welt, wenn keiner da is, dann geh ich eben nicht heim und lass mich stattdessen vom nächsten Abenteuer finden. Von selbst alles ohne große Planung gefunzt – kennt man ja, wenns flutscht, dann flutschts.
Nur jetzt da am Vormittag, mitten in Manhattan halt Umkehrschluss. Weil plötzlich funzt gar nix. Nicht nur bin ich hundemüde, sondern es bläst auch der Wind grausig von allen Seiten mit inklusive Schnee und zum ersten Mal arschkalt, von jetzt auf gleich und von drei Mitbewohnern erreich ich nicht mal einen halben und von den ganzen Freunden auch niemanden. Wobei das würd eh nix mehr bringen, weil ich würds ohnehin keine fünf Blocks mehr dalatschen. Jetzt in Wien könntest dich in so einer Situation zur Not einfach in ein Kaffeehaus setzen und ein bissl auf der Tischplatte schlafen, also mit dem Oberkörper, nicht als a ganza. Aber das kannst in NYC echt vergessen. Weil das is vielleicht die Stadt der tausend Möglichkeiten, Tellerwäscher-Millionär und alles, aber wo fünf Minuten länger sitzen als konsumiert wird, is nicht! Und sicherheitshalber machen sie ihre hunderttausend Starbuckse direkt so ungemütlich, dass man gar nicht auf die Idee kommt, ein kleines Büsi zu machen. Mit letzter Kraft google ich, obs ein Kino in der Nähe gibt. Fehlanzeige. Die Tränen kommen. Ich kann mich ohne Übertreibung kaum mehr auf den Beinen halten und mir mit Matschgehirn auch nix mehr überlegen, außer, dass ich sofort wo liegen muss, sonst sterben.
Und dann schon interessant, wenn nix mehr geht, vor lauter Überlebensinstinkt schließen sich doch im letzten Moment noch irgendwie Synapsen kurz oder was. Die lenken meinen Körper in den H&M, vor dem ich wackelig stehe seit der Müdigkeitswatschen. Meine Arme nehmen sich wahllos Klamotten von den Stangen und zwar so viele, dass sich keiner wundert, dass das lange braucht in der Kabine, in der ich verschwinde, meinen Wecker auf 22 Minuten stelle, mich auf dem selbst mitgebrachten Kleiderhaufen zusammenrolle und den wahrscheinlich notwendigsten Powernap meines Lebens einlege. True story.
© Berit Glaser 2020-11-24