von Mary Modl
Also damit hätte ich niemals gerechnet. Dass ausgerechnet ich für unseren Dr. Rudi – unseren weit über die Weinviertler Grenzen hinaus angesehenen Historiker – beim Gedenk-Rundgang des Museum-Vereins einspringen sollte, war für mich mehr als nur eine Ehre. Die Latte war unglaublich hochgelegt mit intensiver wochenlanger Vorbereitung.
Fasziniert hatte es mich schon immer dieses Bild in der Volksschule, den Kuruzzen-Überfall am 17. Oktober 1706 darstellend. Im Vordergrund der auf mich Sechsjährige damals furchterregend wirkende Anführer Graf Forgatsch, das blutverschmierte Schwert in die Höhe reckend, zum finalen Angriff auf meine Weinviertler Heimatstadt Zistersdorf schreiend seine mörderischen Horden antreibend.
Beinahe ehrfürchtig setze ich einen Schritt vor den anderen auf den grobgepflasterten Untergrund. Ewigkeiten, erscheint es mir, müsse es her sein, dass ich an den Resten der alten Stadtmauer entlanggelaufen bin. Gut ist’s gegangen. Noch vollgepumpt mit all dem Wissen über das ungarische Reitervolk, das meine Heimatstadt Zistersdorf beinah vollkommen zerstörte, betrachte ich die noch so gut erhaltenen Reste der alten Stadtmauer.
Die Schießscharten sind noch erkennbar. Wie eine Art Flashback habe ich plötzlich Bilder vor meinem geistigen Auge. Bewaffnete Männer laufen hin und her. Brüllend. Unkontrolliert. Verzweifelt. Kanonenfeuer und Geschützsalven donnern durch das frühmorgendliche Angriffsszenario. Frauen und Kinder, ihr letztes Hab und Gut fest an sich drückend, versuchen dem Grauen zu entkommen. Feuerpfeile schießen über ihre Köpfe hinweg, die Fliehenden beinahe wie ferngesteuert verfolgend. Markdurchdringende Schreie überall…
Meine Hand berührt die grobgehauenen Steine, diese Stadtmauer formend. Mir wird so richtig bewusst, wie tief ich mich mit meiner Heimatstadt verbunden fühle, wissend, dass es Vorfahren gibt, die diesen Tag überleben durften. Mein Blick durch die Schießscharte geht weit hinaus zu den Hügeln Richtung Süden zu den einstigen Lagern der Kuruzzen in der Ferne und zum „Harten Tanz“. Dorthin trieben Sie jene, den mutigen Rest von 12 Stunden zuvor etwa 900 Zistersdorfer Verteidigern und Männern, deren Frauen und Kinder bereits dem Gemetzel im Schlosshof zum Opfer gefallen waren. Nachdem sie dem mordenden Schauspiel als Zuschauer beiwohnen mussten, wurden ihnen dort draußen die Fußsohlen aufgepeitscht und sie mussten so lange, angefeuert durch die betrunkenen etwa 8000 Mörder und Schänder, auf Salz tanzen, bis sie gnadenhalber erschlagen wurden.
Beinahe hundertfünfzig Interessierte haben meinen Worten gelauscht und anschließend haben wir den Rundgang noch beim Heurigen gemütlich ausklingen lassen. Und dann sind alle wie von Nadeln gestochen aufgesprungen und mussten plötzlich dringend heim.
Irgendwas sei mit Vizekanzler HC Strache auf Ibiza passiert, oder so. Schade, dass uns der so dreinpfuscht! Fix – Kruzitürken nocheinmal!!!
© Mary Modl 2020-05-17