Flaschendrehen

Maria Beutel

von Maria Beutel

Story

Anna war an diesem Abend die Außenseiterin. Wenn Celine und ihre anderen Gäste nicht gerade über sie tuschelten oder lachten, dann ignorierten sie Anna weitgehend. Anna wollte am liebsten die Party verlassen. Aber das war zu einfach und feige. »Mir ist langweilig. Wir spielen jetzt Flaschendrehen mit Wahrheit oder Pflicht«, kündigte Celine an. Bis auf Anna setzten sich alle auf den Wohnzimmerteppich und bildeten einen Sitzkreis. Anna war nervös. Sie hasste kein Spiel so sehr wie Flaschendrehen. »Du spielst auch mit, Anna«, forderte Celine sie auf. Zögerlich setzte sich Anna in den Sitzkreis. Als Erste war Celine an der Reihe. Denn sie hatte schließlich Geburtstag. Anna schluckte als die Flasche bei ihr stehen blieb. »Du hast jetzt die Wahl, Anna. Wahrheit oder Pflicht?« Anna überlegte kurz. »Wahrheit«, antwortete sie. »Hat Sophie meine Kette gestohlen? Na los, du kannst es ruhig zugeben, dass du es die ganze Zeit wusstest«, sagte Celine schnippisch. Anna versuchte ruhig zu bleiben und nicht wieder zu schreien. »Es reicht jetzt, Celine. Sophie hat deine Kette nicht.« Celine lachte hämisch. »War ja klar, dass du sie verteidigst. Aber du wirst schon sehen, was du davon hast.«

Später war Celine noch ein weiteres Mal an der Reihe. Der Flaschenhals zeigte nun genau in die Mitte zwischen Anna und einem anderen Mädchen, das neben ihr saß. »Du musst nochmal drehen, Celine«, rief ein Junge. »Nein. Wir beschließen eine neue Regel«, entschied Celine und grinste. »Wenn die Flasche zwischen zwei Personen zeigt, dann darf man sich eine Person aussuchen.« Anna war schlecht. »Ich nehme Anna«, lachte Celine und schaute sie an. »Ich nehme wieder Wahrheit«, sagte Anna schnell. Celine schüttelte mit dem Kopf. »Du darfst nicht zweimal dasselbe sagen. Du musst Pflicht nehmen.« Anna war nun speiübel und sie hoffte sich nicht vor allen anderen übergeben zu müssen. »Du wirst am Montag zu Marleen gehen und ihr sagen, dass du die Klara nicht mehr tanzen möchtest.« Anna war zunächst sprachlos darüber, was Celine da von ihr verlangte. »Niemals«, sagte sie und stand von ihrem Sitzplatz auf. Celine stand ebenfalls auf. »Du musst aber. So sind die Spielregeln«, sagte Celine und blickte sie böse an. »Die Spielregeln sind mir egal. Ich werde die Rolle nicht abgeben«, sagte Anna entschlossen und ging in Richtung Wohnzimmertür. Doch Celine versperrte ihr den Weg. »Lass mich sofort durch Celine!«, forderte Anna sie auf. »Jetzt hör mir mal zu, du Primaballerina. Wenn du die Rolle nicht abgibst, dann werde ich dafür sorgen, dass du dich so stark verletzt und du bis zur Weihnachtsaufführung nicht mehr tanzen kannst. Celines Gäste klatschen und grölten. »Was habe ich dir getan?«, fragte Anna mit Tränen in den Augen. »Das kann ich dir gerne sagen. Du bist genauso verlogen wie Sophie. Ihr steckt doch gemeinsam unter einer Decke und beklaut andere Leute. So jetzt weißt du es. Und jetzt hau ab,« schrie Celine und machte Anna den Weg frei. Anna verließ das Haus und rannte so schnell wie möglich tränenüberströmt durch die Dunkelheit nach Hause.


© Maria Beutel 2024-08-09

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Traurig, Angespannt