Flatulenzen und falsche Fuffziger

Gossengoethe

von Gossengoethe

Story

Langsam hebt er eine Arschbacke vom Sessel und lässt einen fernsehkomödienreifen, zweistellige Sekundenzahl beanspruchenden, auf halbem Weg die Tonart wechselnden, die Katze fluchtartig aus dem Raum scheuchenden, nur durch Gottes Barmherzigkeit nicht zur Schlammlawine im Hosenboden führenden Darmwind, dessen befriedigende Erleichterung für Bauch und Seele gegen Ende sogar mit einem gepressten Stöhnen unterstrichen wird. Einen Augenblick lang ist es totenstill im Raum, bevor wir anderen uns in keuchendem Ekel winden und ihn im Chor mit lauten Vorwürfen überschütten, was er doch für eine Drecksau sei. Was man nicht in Händen hat kann man nicht halten, gibt er frech als schwache Verteidigung zu bedenken. Da hat er irgendwie recht, und nachdem das Fenster aufgerissen und sein Status als schlimmstes Ferkel der Menschheitsgeschichte noch ein paar Minuten lang im kollektiven Konsens verankert wurde, geht’s dann auch wieder.

„Gut, wo war ich“, erzählt er nonchalant weiter, als hätte er nicht gerade sieben Menschen fast dem qualvollen Erstickungstod durch seine widerlichen Faulgase ausgeliefert, „ach ja, also, ich stehe ganz unschuldig in ihrer Küche und mampfe ein Wurstbrot, langer Fußweg heim, da braucht es Proviant, und sie pennt eh, da wird sie es nicht merken, da kommt auf einmal ein Typ im Morgenrock und Hausschlappen herein. Ich denke mir oha, das ist ungut, sie hat gesagt, sie wohnt allein, da merke ich, der bewegt sich komisch und schaut mich nicht an. Ich kenn’s von meinem Onkel: der ist blind. An und für sich geile Situation, aber dann kommt sie hintendrein, sieht mich und stirbt vor Schreck. Ist auch davon ausgegangen, dass ich mich eh heimlich verpisse, haha.“

Ein kleines, relativ harmloses Fürzlein unterbricht ihn kurz. „Ich will mich unauffällig rausschleichen, da bemerkt er mich und nennt mich Thomas. Ich peil absolut nichts mehr, da fuchtelt sie hinter ihm herum, ich soll einfach mitspielen. Schickt mir schnell eine SMS mit Details. Der Typ ist ihr Papi und Thomas der letzte Freund, den sie mitgebracht hat. Ob wir ähnliche Stimmen haben oder ihr Dad einfach doof ist kein Plan, jedenfalls hat er mir den Thomas easy abgekauft. Pro: kein Arschtritt dafür, dass ich seine Tochter die ganze Nacht laut und kräftig genagelt habe. Contra: Anstatt zu Hause zu pennen darf ich mich als schnöseliger Jusler ausgeben.“

Er lacht (und furzt, aber aushaltbar) nun immer wieder, während er vom Vormittag erzählt, den er als Fake-Thomas bravourös gemeistert hat.

„Alles eh witzig, aber dann die Stunde der Wahrheit: Mittagessen. Papis berühmte Kohlsuppe. Die Thomas heiß und innig liebt. Nur bin ich leider nicht Thomas, sondern Max, und Max kriegt von jeglichem Kohlgemüse HÖLLISCHE Blähungen. Aber da muss er durch, der liebe Maxi.“ Wie aufs Stichwort zündet eine weitere anale Blaukreuzbombe und das röchelnde Grausen und Schimpfen beginnt von neuem. Er kichert. „Das war’s der Sex aber allemal wert. Tja… Und euer Wochenende so?“

© Gossengoethe 2021-09-08