Meine Nachbarin schickt schon um sieben Uhr morgens eine WhatsApp: „Ich fahre nachher zum Supermarkt – brauchst du was?“
Wir sind seit ein paar Jahren befreundet, aber bislang ist natürlich jede für sich einkaufen gegangen. Nun rücken wir enger zusammen – obwohl wir nur noch mit Distanz über den Gartenzaun hinweg plaudern können. Ich bestelle für sie mehr Gemüse bei meinem Ökokisten-Lieferanten, sie bringt mir Rapsöl und Hafermilch mit.
So vieles hat sich verändert beim Lebensmittel-Einkauf: Ich bin in West-deutschland groß geworden. Zum ersten Mal in meinem Leben bekomme ich nicht unbedingt das, was ich auf meiner Liste stehen habe. Da ich in Potsdam lebe, habe ich natürlich viele Freunde, die hier aufgewachsen sind. Und die haben über meine Irritation wegen der leeren Regale nur freundlich gelacht: „Jetzt siehst du mal, wie es uns früher als Kinder ging“, meinten sie.
Am Anfang habe ich mich darüber geärgert, dass so vieles nicht zu haben war, mittlerweile nehme ich es, wie es kommt: Ich probiere neue Reissorten (den hellen mit den Wildreiskörnern), wir essen andere Nudeln, meine Kinder freuen sich über helles Toastbrot, das es bei uns sonst nie gibt. Ich habe im Moment unfreiwillig Klopapier mit London-Motiven und muss immer lächeln, wenn ich die roten Doppeldeckerbusse auf der Rolle sehe.
Wir lernen also gerade im ganz Kleinen – und sehr Unwichtigen – flexibel und solidarisch zu sein. Und dankbar, dass die Versorgung trotz der Krise noch gut funktioniert, weil es so viele Menschen gibt, die die Lieferketten für uns aufrecht erhalten.
Seit gestern bedanke ich mich bei der Kassiererin, beim Studenten, der beim Bäcker aushilft, und bei der Frau auf der Post für ihren Einsatz – und die Freude darüber ist groß. Manchmal entstehen sogar kleine Gespräche über unsere derzeitigen Sorgen. Auch mit Menschen, die ich vorher gar nicht wirklich wahrgenommen habe, fühle ich mich stärker verbunden.
Ich hoffe, dass ein Stück davon diese schwierige Zeit überdauert.
© Christiane Würtenberger 2020-03-20