von Cassius Lepus
Die Nachtluft war warm und duftete nach blühendem Jasmin und dem herben Aroma von Wein. Ich stand im Außenbereich einer kleinen Weinbar, ein Glas in der Hand, das mich nicht wirklich interessierte. Die Gespräche um mich herum klangen wie weißes Rauschen, bedeutungslos und doch tröstlich in ihrer Beständigkeit.
Mein Blick wanderte, suchte nach etwas das nicht da war, bis er auf sie fiel. Sie ging langsam an mir vorbei, ihre Bewegungen waren leicht und fließend, als würde sie tanzen, ohne es zu wissen. Unsere Blicke trafen sich und für einen Moment hielt die Welt den Atem an. Ihre Augen waren tiefgründig und dunkel, versprachen Geschichten die nie erzählt werden würden.
Sie lächelte, ein stilles Versprechen von etwas Unausgesprochenem und in diesem Lächeln lag eine ganze Zukunft verborgen. Ein gemeinsamer Spaziergang durch die nächtlichen Straßen, Gespräche über Bücher und Träume, heiße Nächte in verschwitzten Leinen Bettlaken, ein Leben, das in diesem flüchtigen Augenblick erahnt werden konnte. Eine Zukunft, die es niemals geben würde, weil sie weiterging und ich stehen blieb.
Während ich dort stand, das Glas noch immer in der Hand, fühlte ich, wie der Zauber dieses kurzen Augenblicks langsam verblasste und der realen Welt Platz machte. Die Musik, die zuvor nur ein ferner Klangteppich gewesen war, drängte sich nun wieder in mein Bewusstsein, mit jedem Ton lauter werdend. Die Menschen um mich herum lachten, sprachen, schienen unberührt von der Schwerkraft eines Moments, der für mich die Zeit angehalten hatte. Ich fragte mich, ob sie jemals solche Augenblicke erlebt hatten, Momente, in denen ihr Leben auf den Kopf gestellt wurde, auch wenn alles um sie herum unverändert weiterlief.
Ihr Lächeln hielt an als sie sich abwandte und in der Menge verschwand, ein vergänglicher Hauch von Möglichkeit, der in der Nacht verwelkte. Ich blieb verloren zurück und dachte daran, wie seltsam es ist, dass es Augenblicke gab, in denen eine ganze Welt existierte – eine Welt, die nur im Raum zwischen einem Blick und einem Lächeln lebte.
© Cassius Lepus 2024-08-22