Flug 101

Christian Klöckl

von Christian Klöckl

Story

Ich wollte schon immer zum Everest. Aber selbst der Weg dahin ist ein großes Abenteuer – denn der Tenzing-Hillary-Flughafen in Lukla ist gefährlich!

4. Tag meiner Expedition, 23. August, 5 Uhr: Um 6:30h sollte unser Flug mit der ersten Maschine (Flug 101) nach Lukla sein. Das Gepäck wurde genauestens gewogen, nur 14 Passagiere haben Platz. Lukla liegt auf 2757m und hat die kürzeste Landebahn der Welt. Wir warten auf das Boarding – eine Stunde, zwei, drei, vier. Um 12 Uhr heißt es dann: „Delayed – bad weather“. Wir hatten inzwischen erfahren, dass schon seit sieben Tage kein Flug nach Lukla möglich war. Deshalb durften wir auch nicht traurig sein, dass es beim ersten Mal nicht geklappt hatte. So fuhren wir ins Hotel zurück.

5. Tag, 5 Uhr: Gleiche Abläufe wie am Tag zuvor. 24.08.! Welch schönes Datum, dachte ich mir. Heute wird es mit Lukla klappen. „Good weather“ ist prognostiziert. Schon um 6:30h sitzen wir gespannt in der Abflughalle. Wieder sind wir auf Flug 101 gebucht. Und tatsächlich: Agni Air Flight 101 wird aufgerufen. Wir springen hocherfreut auf, doch dann sagt der Kontrolleur: „Wait – 5 minutes“.

Dann werden wir erneut aufgerufen, diesmal aber sind wir bei Flight 102 dabei – der 2. Flug heute. Wir fahren mit einem kleinen Bus zur noch kleineren Maschine. Alle sind in Aufbruchstimmmung. Acht Tage kein Flug nach Lukla! Und heute gleich 18 Flüge, und wir sind im 2. dabei! Der Zufall will es, dass ich als Erster aus dem Bus komme. Ich gehe unter dem Flügel der Dornier zur kleinen Leiter. Die Stewardess begrüßt mich, ich steige ein, suche mir einen Sitzplatz aus.

Für 30 Sekunden wird der Traum der „Everest Tour“ wahr. Plötzlich aber sagt die Stewardess: „Lukla closed“. Ich muss wieder aussteigen. Wir hoffen weiter, doch nach einer Stunde heißt es „delayed“. Wir fahren wieder zurück ins Nirwana-Hotel.

Ich gehe zur Rezeption, um den ZimmerschlĂĽssel zu holen. Der Mann an der Rezeption, Bijay, schaut mich entgeistert an, und nach ein paar Sekunden Fassungslosigkeit bricht es aus ihm heraus:

„YOU?! … You…… You…… are a lucky man!“

Ich: „Why?“

Bijay: „You don’t know it? Agni Air has crashed. All 14 passengers dead!“

Es war der Flug 101 nach Lukla. Und er wuĂźte, dass wir auf diesen Flug gebucht waren.

P.S.: Nach dem Tod von 14 Gleichgesinnten hatte eine Everest Tour für uns keinen Sinn mehr. Tagelang waren wir geistig gelähmt. Drei Tage später entschieden wir uns, mit einem Kleinbus nach Tibet zu reisen.

Bis heute wissen wir den Grund nicht, warum wir nicht in das Flugzeug 101 einsteigen durften.

© Christian Klöckl 2019-04-12

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