von NeleChryselius
Allein der Gedanke, in zehn Kilometer Höhe eingezwängt in einem lärmenden, wackelnden Kasten gefangen zu sein, war grauenhaft. Ich träumte mich mit dem Buch „Reisen mit dem Frachtschiff“ an meine Sehnsuchtsorte. Allerdings stand es mit meiner Seetauglichkeit auch nicht zu Besten.
Ich wollte unbedingt nach Australien. Also nahm ich viele bange Stunden und sieben Stopps in Kauf. Ich fragte meinen Liebsten: „ Du glaubst wirklich, dass wir alle diese Flüge überleben?“ Statt einer Antwort verdrehte er die Augen.
Kaum waren wir an einer Zwischenstation angekommen, dachte ich mit Schrecken an den nächsten Flug. Am Ende dieser Reise war für mich klar: Nie wieder steige ich in ein Flugzeug.
Kurz nach meiner Rückkehr stand ein Jobwechsel an, allerdings: Flüge unabdingbar. Mein neuer Chef hatte die Lösung: „Da gibt es doch so Seminare gegen Flugangst, mach dich mal schlau. Die Firma übernimmt die Kosten.“ Eine Woche später hatte ich einen Platz für das Wochenendseminar.
Freitagabend. 15 TeilnehmerInnen, ebenso viele unterschiedliche Ängste. Eine hatte den Piloten ihres letzten Fast-Flugs dazu gebracht, den Start abzubrechen, damit sie das Flugzeug verlassen konnte.
Samstag. Wir lernten, unterschiedliche Fluggeräusche zuzuordnen und Entspannungsübungen einzusetzen. In den Pausen viel Austausch und gegenseitiges Verständnis. Am Abend die Ankündigung, dass wir am nächsten Morgen gemeinsam nach Hamburg fliegen sollten. Panik bei fast allen TeilnehmerInnen. „Also, das Programm war wirklich gut, ich habe viel gelernt. Aber morgen in ein Flugzeug steigen kommt für mich nicht in Frage“, meinte ein Teilnehmer und fast alle waren derselben Meinung.
Sonntagmorgen. Im Seminarraum ein Häuflein müder, angespannter Menschen, alle hatten eine schlechte Nacht. „Wir gehen jetzt bitte alle gemeinsam zum Flugzeug. Ihr habt dann immer noch die Möglichkeit, nicht einzusteigen“, mit diesen Worten ging unsere Leiterin voraus.
Tief durchatmen, ein Blick in die Runde. Alle gingen mit und stiegen ein. Neben mir saß Hans. „Nele, bitte nicht falsch verstehen, wenn ich deine Hand nehme und mir eventuell ein Bier bestelle“, so seine Vorwarnung. Peter in der Reihe vor uns drehte sich um: „Für mich besser einen Schnaps“.
Es ging los. Völlige Stille. Ich achtete auf meine Atmung. Als die Maschine abhob, geriet niemand in Panik, die Erleichterung, dass wir das geschafft hatten, war spürbar. Hans tippte mir auf die Schulter, ihm liefen Tränen übers Gesicht. „Ich bin so glücklich, ich will gar kein Bier!“, sagte er selig. Als der Pilot uns begrüßte, war Peter völlig aus dem Häuschen. „Den kenn ich! Das ist ein Schulfreund, den ich aus den Augen verloren hatte“, rief er aufgeregt. Er durfte ins Cockpit, kam erst nach der Landung zurück.
Flugzeuge gehören nach wie vor nicht zu meinen Lieblingsorten. Aber ich habe gelernt, Unwohlsein und Angst zu unterscheiden und kann ersteres akzeptieren, ohne in Panik zu geraten.
© NeleChryselius 2020-06-15