Flussgeschichten – Ehrwürdige Gemäuer

Fabiennne

von Fabiennne

Story

Die sommerliche Wärme machte träge; Andi und Fabi hielten sich lange auf dem deutschen Eck auf, schauten den Frachtschiffen zu. Irgendwann hatten sie eine der Bänke ganz vorne am Scheitelpunkt ergattert und saßen gleichsam am Bug der Landzunge.

„Wollen wir weiter?“

„Komm, noch fünf Minuten, warten wir noch das große Containerschiff ab.“

Aus den fünf Minuten wurden locker zwanzig Minuten, ehe sie in Richtung Schloss Koblenz loszogen. Mit Blick auf den Rhein ließ der letzte Kurfürst von Trier das Schloss gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbauen. Es war eines der letzten Residenzschlösser in Deutschland, die noch vor der Französischen Revolution gebaut worden. Im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern völlig zerstört, wurde es im vereinfachten klassizistischen Stil wieder aufgebaut. Das zumindest erfuhren die beiden aus einem Touristenführerheftchen, dass sie gekauft hatten.

Sie fuhren dann mit den Rädern in die Altstadt und bummelten durch die Straßen und an den Geschäften entlang. Gegen halb fünf Uhr machten sie sich auf den Weg in Richtung andere Rheinseite, um zur Jugendherberge oben in der ehrwürdigen Festung Ehrenbreitstein zu gelangen. Mit der kleinen Rheinfähre setzten sie über den Fluss und schoben dann in der Sommerhitze die Fahrräder den Festungshang hinauf. Die Hitze bremste ihre Schritte aus und irgendwann waren sie müde. Dass sie mit jedem geschobenen Meter einen immer schöneren Ausblick auf Koblenz und das Hinterland gewannen, entschädigte sie nur mittelbar. Der steile Weg schien kein Ende zu nehmen. Und die freuten sich auf ein Zweier- oder Viererzimmer in der Festungsherberge, wie sie es im Vorhinein in Reiseführern gelesen hatten. Und eine Dusche wäre fein. Darüber redeten sie, während sie die Räder hinauf schoben.

Endlich war der Berg geschafft und die beiden standen vor der Jugendherberge, die etwas abseits von den Hauptgebäuden der Festung lag. Das Gebäude war alt, etwas unansehnlich von außen. Drinnen schlug ihnen der Geruch all jener Menschen entgegen, die hier wohl alle schon übernachtet hatten, und es roch nach abgestandenen Speisen. Vor der Anmeldung, die wohl gerade erst geöffnet hatte, standen viele andere Gäste an. Ein Sprachgewirr umgab die beiden, es fühlte sich nach weiter Welt an. Und dann waren sie an der Reihe sich anzumelden. Sie wurden dem Schlafsaal Nummer 14 zugewiesen und bekamen ein Stockbett. In der Erwartung eines Vierersaals oder maximal Sechersaales, machten sie sich auf die Suche nach dem Raum. Sie fielen fast rückwärts wieder aus der Türe, als die entdecken mussten, dass es ein Schlafsaal mit mindestens vierundzwanzig Schlafplätzen war. Das Stockbett, das ihres sein sollte, hatten sich zwei andere geschnappt, weil es in Fensternähe stand. Die wollten auch nach einer unliebsamen Diskussion, nicht weichen. Nach einer Beschwerde beim Herbergsvater, dem das ziemlich egal war, blieb den beiden nichts übrig, wie ein Stockbett mitten im Raum zu akzeptieren.

© Fabiennne 2021-03-19

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