von Fabiennne
„Ein paar Kilometer haben wir noch bis St. Goar.“
„Sieht aus, als würden wir jetzt ein langes Stück direkt neben der Bundesstraße fahren.“
„Wir überleben es.“
Nach der Ehrenthaler Werth folgte ein kleiner Jachthafen und dann fuhren sie auf St. Goar zu. Nach einem letzten großen Bogen, den sowohl Rhein wie Straße und Radweg machten, lag von weitem sichtbar Burg Rheinfels vor ihnen. Beim Näherkommen gewann die Ruine an Größe. An der Burg Rheinfels, um 1245 als Höhenburg begonnen, baute man immer weiter herum. Nach dem Ausbau zur Festung war sie, als Wehranlage noch größer, wie die Festung Ehrenbreitstein. Aufgrund ihrer exponierten Lage wurde sie viele Male Angriffsziel, hielt jedoch jahrhundertelang stand und erst französische Revolutionstruppen machten der Festung durch großvolumige Sprengungen den Garaus. Später erwarb Kaiser Wilhelm I, da noch im Status des Prinzen von Preußen steckend, die Anlage und bewahrte sie vor dem Verfall.
Andi und Fabi wollten der Ruine einen Besuch abstatten, wenn sie ihre Sachen in der Jugendherberge von St. Goar unterbringen konnten. Obwohl sie zu früh dort waren, hatte der Herbergsvater ein offenes Ohr und gab ihnen gleich ein Viererzimmer. Die Übernachtung würde 6,80 Deutsche Mark kosten; in Euro dachte man erst sehr viel später. Andi und Fabi freuen sich, dass, wenn überhaupt, nur zwei andere Fremde mit im Zimmer sein würden. Der Herbergsvater hatte gemeint, es kämen weniger Gäste, wie am Wochenende.
„Wollen wir etwas ausruhen?“
„Komm, wir gehen zur Burg rauf, vielleicht finden wir in der weitläufigen Anlage eine schöne Bank in der Sonne.“
Die Jugendherberge liegt südlich unterhalb der Burgruine und oberhalb der Bahnstrecke von Köln nach Mainz, die hauptsächlich dem Personenfernverkehr dient. Die Bahnlinie sollte die beiden später noch mal beschäftigen.
Es war ein strahlendheller Sommernachmittag und sie liefen über den Schlossberg zur Burgruine hinauf. Die großzügige Anlage ist ein Eldorado für Burgfans. Verwinkelte Ecken, Wege durch und in das Gemäuer hinein, Treppen, die ins Nichts führen und Ausgucke auf den Rhein, laden ein, die Ruine zu erkunden. Und wer platzangstlos ist, kann durch unterirdische Gänge, in denen im MittelalterSchießpulver und allerlei Anderes gelagert wurde, der Burg auf den tiefsten Grund gehen. Man sollte nur eine Taschenlampe mitnehmen.
Andi und Fabi setzen sich irgendwann auf eine der vielen Bänke in einem der Ruineninnenhöfe. Das Burgfleckchen war sonnenüberflutet, angenehm warm und hier ließ sich einfach die Zeit verbummeln. Viele Besucher waren an dem Tag eh nicht auf der Burg und so konnte man ungestört ein wenig von früheren Zeiten träumen. Wie hart musste das Leben im Mittelalter hier gewesen sein?
Andi packte das Skizzenbuch aus und Fabi beschäftigte sich mit Schreiben. Und weil man da noch Postkarten schrieb, die Postleitzahlen auch noch vierstellig waren, traten später zwei Ansichtskarten den Weg per Post in Richtung nach Hause an.
© Fabiennne 2021-03-24