Foie gras, Froschschenkel und Austern

Carina Senger

von Carina Senger

Story

Die Franzosen sind für ihre kulinarische Finesse weltberühmt. Auch ich liebte Crêpes, aber das Konzept der Gänsestopfleber, oder Foie gras, wie die Franzosen es nannten, fand ich abstoßend. Und dann waren da ja noch die berühmt-berüchtigten Froschschenkel, die auf der anderen Seite des Rheins als Delikatesse gehandelt wurden.

Bevor ich nach Frankreich ging, hatte ich mir fest vorgenommen alles zu probieren, was mir vorgesetzt wurde. Gleichzeitig war ich gespannt, wie ein typisches Abendessen in Frankreich aussah. In Bayern gibt es schließlich auch nicht jeden Tag Schweinshaxe und Knödeln, obwohl das Gericht sich dort großer Beliebtheit erfreut. Wenn man Froschschenkel anstelle eines Steaks servierte, stellte sich mir außerdem die Frage, wie viele davon normalerweise auf den Teller kamen. Ich vermutete, dass entweder Dutzende Frösche auf dem Teller landeten oder es deutlich mehr Beilagen gab. Wie sollten die Leute sich sonst satt essen? Meine Freundinnen schienen zu denken, dass ich mich vor Froschschenkeln ekelte. Tatsächlich war ich eher neugierig als angewidert. Schließlich wurden die Froschschenkel vermutlich gebraten serviert und ähnelten dadurch anderem Fleisch. Ich konnte mir zwar nicht so recht vorstellen, ob Frosch eher nach Rind oder Hühnchen schmeckte. Aber falls es mir nicht schmeckte, konnte ich ja mit viel Wasser nachspülen.

Mich forderte vielmehr die Vorstellung heraus, Schnecken und Austern essen zu müssen. Allein bei der Vorstellung an deren glibberige Konsistenz schüttelte ich mich. Dabei hatte ich weder Schnecken noch Austern je selbst gekostet. Allerdings hatte eine Schulfreundin bei einer Klassenfahrt in Brüssel Austern probiert. Sie war beim Essen nicht wählerisch und egal, was man ihr vorsetzte – sie verzog vielleicht das Gesicht oder schluckte etwas schnell herunter, aber ich hatte nie erlebt, dass sie etwas ausspuckte. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie Austern probierte. Nachdem wir bei Essen einen ähnlichen Geschmack hatten, schreckte mich dieses Erlebnis nachhaltig ab. Tatsächlich wurden mir in Paris nicht ein einziges Mal Froschschenkel oder Schnecken vorgesetzt. Austern gab es hingegen einige Male. Ich wappnete mich innerlich darauf sie essen zu müssen.

„Es ist in Ordnung, wenn dir Austern nicht schmecken“, sagte meine Gastmutter lachend, als sie meinen entsetzten Blick bemerkte. Ich nickte dankbar und beobachtete fasziniert, wie die Anderen genüsslich die Austern schlürften. Auch zu anderen Gelegenheiten gab es Austern und für meine Gastfamilie war es jedes Mal ein Fest. Foie gras erfreute sich bei ihnen ebenfalls großer Beliebtheit. Für sie erschien es unvorstellbar, dass es jemandem anders gehen könnte. Also tat ich das, was alle machen, wenn sie ihren Gastgeber nicht beleidigen wollen: Ich probierte, lächelte und spülte mit ganz viel Wasser nach, um den Geschmack wieder loszuwerden.

© Carina Senger 2021-05-15

Hashtags