von Ulrike Sammer
Als ich in die Schule ging, hörte ich nichts davon, dass der Platz meiner Heimatstadt Wien einst am Meeresgrund war. Jetzt aber, nach 20-jähriger Forschungs- und Grabungsarbeit, wurde nahe von Wien die Fossilienwelt Weinviertel eröffnet und zeigt Erstaunliches: nämlich das größte, zugängliche, fossile Austernriff der Erde. Dieses Riff hat sich vor rund 17 Millionen Jahren in einem tropischen, flachen Meer gebildet, das weit auf Wiener Boden bis zu den Ausläufern der Alpen reichte. (Die Alpen reichen nämlich interessanterweise auch bis Wien.). Der Bisamberg im jetzigen Norden der Stadt und das Austernriff in Stetten ragten damals als Inseln aus dem Meer. Das ursprünglich flachliegende Riff ist durch tektonische Bewegungen seit seiner Entstehung um etwa 24 Grad gekippt.
Mein Mann und ich fuhren bald nach der Eröffnung nach Stetten, um uns diese Weltsensation anzusehen. Schon von Weitem sieht man auf einem kleinen Hügel ein überdimensionales oranges Schneckenhaus als Wahrzeichen. Es ist ein 17 m hoher Aussichtsturm, der einer Turmschnecke nachempfunden ist und von dem man auf die Schürffelder sehen kann.
Das Riff ist in einer rund 400 m² großen Halle zugänglich und enthält ungefähr 15.000 präparierte Riesenaustern. Von einem Holzsteg darüber kann man die zusammengepackten Riesenaustern bestaunen. Im Fossilienmusem gibt es in Vitrinen besonders schöne Exemplareund in einer Perlenausstellung die größte fossile Perle, eine Leihgabe des Naturhistorischen Museums in Wien.
In den Schürffeldern rundum wird angeboten, nach Fossilien wie Haifischzähnen und Perlen selbst zu graben. Natürlich wurden die vorher dort versteckt. Mein Mann und ich gruben und fanden aber vor etlichen Jahren in einer Sandgrube der weiter nördlich liegenden Gemeinde Eggenburg selbst kleine Haifischzähne. Sie sind nun ein Teil meiner Mineralien- und Fossiliensammlung.
Auch heute noch kann man am „Urzeitweg“ im Sand Haifischzähne und Muschelabdrucke finden. Es empfiehlt sich ein Schauferl und ein Sieb mitzunehmen. Beim Florianibründl, etwas versteckt im Wald, handelt es sich bereits um eine Fossilienfundstelle, wo vor allem Muscheln zu finden sind. Der Kalksandstein ist ein Ablagerungsprodukt des tropischen und subtropischen Meeres von vor 20 Mio. Jahren.
Im Kalkschlamm lagerten verschiedene Organismen ab. Es sind kugelige und ästige Gebilde von Moostierchen, Schalen von Pilgermuscheln, Gehäuse- und Stachelreste von Seeigeln, Kelche von Seelilien und Gehäuse von Seepocken.
Eine Schautafel markiert die Kühnringer Sandgrube. An der Basis dieser Sandgrube kann man die Spuren des Urmeeres sehen und Versteinerungen von Muscheln, Schnecken und Haifischzähnen finden. Die Sandgrube lockte bereits Wissenschafter aus der ganzen Welt zu Forschungszwecken an, immerhin wurden hier 7 nahezu vollständige Skelette von Seekühen gefunden und die Ursache ihres Todes rekonstruiert: Eine Sturmflut in den Seegraswiesen.
© Ulrike Sammer 2021-06-12