von Lorenz Graf
Gekauftes und industriell hergestelltes Spielzeug war in meiner Kindheit eine ganz, ganz seltene Ausnahme. Fast alles, was wir zum Spielen brauchten, haben wir uns, oft mithilfe der Eltern, selbst hergestellt. Alles benötigte Material stammte aus der uns umgebenden Natur.
Wir bauten einfache, aber lange Züge aus Rundholz und Brettchen, an denen Holzscheibchen als Räder angebracht wurden. Aus Lehm formten wir unzählige Kügelchen, die an der Sonne trockneten und dann steinhart waren. Das waren unsere “Mawern”, Murmeln, die als Tauschobjekte genauso taugten wie zu verschiedensten Spielen damit. Die Mädchen bastelten sich Puppen aus Maiskolben, an denen die Hüllblätter dranbleiben mussten. Die Maisblätter wurden in Streifen gerissen und zu Zöpfen geflochten. An den oberen Körnern wurden Augen und Nasen aufgemalt. Mit diesen “Gugaruzpuppn” sind sie dann mit „Holzkisten – Kinderwagen” stolz als “Mamas” herumgefahren.
Wir Buben waren aber auch an Waffen interessiert. Wir schnitzten uns Dolche und Schwerter aus Holz und spielten den Helden “Sigurd” nach. Sigurd und Silberpfeil waren die Helden in kleinen schmalen Heftchen, die wir begeistert lasen. Zusätzlich bastelten wir komplizierte Steinschleudern, mit denen man zielsicher treffen konnte. Aber auch Pfeil und Bogen bereicherten unser “Arsenal.”
Im Frühjahr waren dann die Maipfeiferl, bei uns “Föwapfeiferl” genannt, saisonbedingt in Mode. Jeder Bub schnitzte sich mit einem alten Taschenfeitel mehrere davon, was oft viele, blutige Schnitte in den Fingern zur Folge hatte. Ein sicher nicht sauberes Taschentuch aus Stoff wurde darüber gebunden und schon schnitzen wir weiter. Offensichtlich waren die “Schneuztüchel” auch den Tetanusbakterien zu dreckig, denn es gab nie problematische Wunden. Im Gegenteil, sie heilten sehr schnell.
Für das Maipfeiferl suchten wir spezielle Äste von Weiden. Sie sollten etwa fingerdick sein und keine Knospen und Verzweigungen haben. Die Weiden hießen auch “Föwabam”.
Wie man so ein Maipfeiferl anfertigt, kann man im Internet finden. Da gibt es jede Menge Anleitungen. Damit aber das Instrument wirklich gelingt und man damit gut pfeifen kann, braucht es mehr. Man muss ja vorsichtig durch Klopfen mit dem Holzgriff des Taschenfeitels, heute ein Kult-Taschenmesser, die Rinde lösen können, ohne dass diese zerreißt oder auch nur ein kleines Loch bekommt.
Es braucht dazu einen ganz speziellen Spruch. Und den haben wir immer aufgesagt, immer wieder litaneiartig wiederholt, wenn wir an der Rinde klopften. Denn nur dann ließ sie sich problemlos abziehen.
Das ist der spezielle Spruch, der fast singend ständig wiederholt wurde, während wir die Rinde abziehreif klopften.
„Hammerl, Hammerl bibo,
zui (zieh) ihn Föwa d`Haut oh.
Loss iahm nou (noch) a bissl dran,
das ma damit pfeifa kann.
© Lorenz Graf 2021-05-14