Französisch für Anfänger

Carina Senger

von Carina Senger

Story

Seit meinem ersten Urlaub in Frankreich wollte ich diese melodische Sprache fließend sprechen. Sobald Französisch auf meinem Stundenplan in der Schule auftauchte, lernte ich mit Feuereifer Vokabeln. Doch meine Begeisterung hielt nicht lange an. Nicht, weil mir die Sprache nicht mehr gefallen hätte, aber sie war so unglaublich schwer! Die Aussprache, die Grammatik, die Schreibweise – selbst, wenn ich mir die korrekte Schreibweise eingeprägt hatte, versagte ich kläglich in den anderen beiden Bereichen. Es betrübte mich, dass meine Aussprache klang, als würde ich mit einem Holzhammer auf die Worte einprügeln.

Nach dem Abitur wollte ich das ändern und ging als Au-pair nach Paris. Einige der anderen Au-pairs, die ich in Frankreich kennenlernte, beschwerten sich darüber, dass wir verpflichtet waren, einen Sprachkurs zu belegen. Schließlich war der tägliche Austausch mit Franzosen die beste Möglichkeit die Sprache rasch zu lernen! Ich teilte diese Abneigung gegenüber dem Sprachkurs hingegen nicht. Natürlich lernte ich das meiste in der Zeit bei meiner Familie. Trotzdem war ich dankbar, meinen Wortschatz zweimal pro Woche etwas koordinierter erweitern zu können, als während der Arbeit. Zwar hatte ich immer ein Vokabelheft dabei, in das ich unbekannte Wörter eintrug, die ich bei meiner Gastfamilie aufschnappte und später in meinem Wörterbuch nachschlug. Aber Grammatik war noch mal eine ganz andere Baustelle.

Bei meiner Ankunft in Paris war ich überzeugt, dass die fünf Jahre Französischunterricht in der Schule eine solide Basis geschaffen hatten. Natürlich war ich Lichtjahre davon entfernt fließend sprechen zu können, aber ich spekulierte darauf, dass ich zumindest einiges verstehen würde. Selten hatte ich mich so getäuscht! In meinen ersten Tagen in der französischen Hauptstadt kannte ich nur einen Gesichtsausdruck: fragend bis ahnungslos. Aber ich lernte schnell die wichtigsten beiden Worte: Arrête!, also hör auf und truc, das französische Pendant zum deutschen Dings. Alles konnte ich als truc bezeichnen, egal, ob einen Kochlöffel, eine Zange oder ein Bettlaken. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Eines Nachmittags wies ich mein Gastkind an, sein Chaos von Kinderzimmer aufzuräumen.

„Aber es ist doch schon so ordentlich“, widersprach sie und sah mich mit großen Augen an. Ich war mir nicht sicher, ob sie für ihre schauspielerische Darbietung einen Oskar verdiente oder Tomaten auf den Augen hatte. Also deutete ich auf einen blauen Plastikhocker, der umgedreht mitten im Zimmer lag.

„Ce truc, par exemple“, erklärte ich.

„Das ist kein truc, wie heißt es korrekt?“, fragte sie. Ich öffnete den Mund, um sie ärgerlich darauf hinzuweisen, dass es völlig egal sei, wie das Ding hieß. Schließlich wusste sie ganz genau, wovon ich sprach.

„Tabouret“, hörte ich mich sagen. Das französische Wort für Hocker, von dem ich bis zu der Sekunde nicht ahnte, dass ich es abgespeichert hatte.

© Carina Senger 2021-05-07

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