Frau, Single, Rollstuhl

Tina Hötzendorfer

von Tina Hötzendorfer

Story

Ich bin 33 Jahre alt. Ein äußerst bescheidenes Single-Alter. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis findet eine Hochzeit nach der anderen statt und jeder bekommt gefühlt 10 Kinder gleichzeitig. Das ist schön, das steht außer Frage. Wo und wie einen neuen Partner kennenlernen? Das ist hier eher die Frage.

Oh und dann ist da ja noch eine Sache. Ein Fakt, der über allem thront. Wie das Damoklesschwert Unsicherheit verbreitend und einschüchternd wirkend. Mein Rollstuhl.

Seit meinem Snowboardunfall vor 12 Jahren, bei dem ich mir den 6. Halswirbel gebrochen habe, ist dieser Rollstuhl mein täglicher Begleiter und Fortbewegungsmittel erster, aber unfreiwilliger Wahl. Für mich gehört er und meine Querschnittlähmung mittlerweile zu meinem Leben. Ich bin nicht glücklich darüber, aber ich führe ein glückliches Leben.

Heutzutage lernt man sich also online kennen. So zumindest die weitverbreitete Meinung. Und auch die Werbung sagt das. Dann muss es natürlich stimmen. Mit viel Mut und einer großen Portion Neugier habe ich mich zuerst an der sehr bekannten Foto-Wisch-und-weg-App versucht. Natürlich habe ich mich für ein Profilfoto entschieden, wo mein „Makel“ nicht ersichtlich ist. Also pickelfrei, mit perfektem Lidstrich und ohne Rollstuhl. Man will sich in dieser mehr als oberflächlichen App doch nicht gleich disqualifizieren. Hier zeigt sich jeder von seiner besten und sexy Seite. Nach ein paar sehr tiefgründigen „hey, wie geht’s“ Nachrichten und mehr als eindeutigen Angeboten, ohne vorher noch den Namen zu kennen, habe ich mich von dort verabschiedet.

Ok, nicht aufgeben, zweiter Versuch. Die Plattform, in der sich alle 5 Minuten jemand verliebt. Das klingt doch vielversprechend. Profil angelegt. Lange überlegt, ob und wie ich meinen Rollstuhl mit ins Spiel bringen soll, muss und überhaupt. Erstmal kennenlernen. Dann Offenbarung. Vielleicht die bessere Variante.

So begann ein sehr zeitintensiver Nachrichtenverkehr mit den unterschiedlichsten potentiellen Traumprinzen. Das Interesse der Gegenseite war anfangs groß, doch die Offenbarung brachte über kurz oder lang meist die selben Reaktionen. Und diese schoßen immer und immer wieder wie spitze Dartpfeile in mein schon schmerzendes Herz. An meinem Selbstbewusstsein kratzende Worte wie „Ich wüsste nicht, wie ich damit umgehen sollte.“, „Du bist ein toller Mensch, aber ich kann das nicht.“, „Es tut mir leid, aber das kann ich mir nicht vorstellen, mit dem Rollstuhl und so.“

Von einem Moment auf den anderen wird man reduziert. Es zählt nicht mehr der Charakter, das sympathische Lächeln und die vielen Gemeinsamkeiten, die vor 5 Minuten noch Aussicht auf die große Liebe versprachen. Jetzt ist da nur noch der Rollstuhl. Und der für die meisten Bekanntschaften sehr befreiende Flucht-Button „Diesen Kontakt verabschieden“.

Die Hoffnung gebe ich aber nicht auf, dass irgendwann doch Amor’s Pfeil mein Herz treffen wird. Dart mag ich ohnehin nicht.

© Tina Hötzendorfer 2020-05-15

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