Frauen-Aufpasser

rebella-maria-biebel

von rebella-maria-biebel

Story

Meine Grossmutter väterlicherseits konnte ihr Ursprungsland nicht verleugnen, sie hatte einen starken tschechischen Akzent. „Bemakln“ nennt man das in Wien, oder „böhmakeln“. Ich habe sie fĂĽr diese Sprache geliebt, sie klang so lustig. Und heute noch hör ich diesen Tonfall, diesen liebenswert patscherten, und mir ist nach Schmunzeln, auch wenn das Gesagte keinen Anlass dazu gibt.

„Das war frĂĽher schon ganz anders, eine Frau allein unterwegs war unschicklich. Aber auch allein zu Haus sollt eine Frau nicht sein. Wenn der Vater und der Bruder gemeinsam fortmussten, ui, dann wurde ich eingesperrt. Weiss nicht genau, ob ich nicht hätt fortlaufen sollen, oder ob mir jemand einen bösen Besuch gemacht hätt. Aber ich weiss noch genau, wie schlimm diese Stunden fĂĽr mich waren, bis Vater zurĂĽckkam. Hab mich mehr davor gefĂĽrchtet, dass mir im Haus etwas Schlimmes passiert und ich kann nicht raus, als dass von draussen was Schlimmes daherkäme…“

Ich war noch ein Kind, als Grossmutter mir das erzählte, und die Vorstellung vom Eingesperrtsein meiner geliebten Grossmutter war ungeheuerlich für mich.

Bei meiner Oma mĂĽtterlicherseits hiess es nur, dass sie sehr, also wirklich seeeeehr behĂĽtet wurde. Und wie sie sich dem Opa unterordnete…, als ob sie nie etwas anderes kennengelernt hätte.. Ja, auf Frauen musste verdammt gut aufgepasst werden, vor allem wenn sie noch nicht unter der Haube waren. Na gut, meine Omas heirateten zu Kaiser Franz Josefs Zeiten. Aber sogar noch im Jahr 1938, als meine Eltern heirateten, durften sie nicht allein auf Bälle gehen. Da war immer die Oma mit, als Anstandsdame.

Also auch meine Mama war nie an Freiheit gewöhnt. Aber was dann Papa einführte, war selbst ihr zuviel. Er legte ihr morgens, bevor er ins Büro ging, ein Kleid aufs Bett und nahm den Kastenschlüssel mit. Er bestimmte, was sie anziehen sollte, damit sie in seiner Abwesenheit anderen Männern nicht den Kopf verdrehte.

Vor der Ehe schauten Eltern und Brüder auf die Unversehrtheit der jungen Damen, nach der Ehe war dann der Gatte zuständig. Im Fall meiner Mama bekam er da aber doch ein paar Grenzen gesetzt. Allzu gern hätte ich Papas Gesicht gesehen, als Mama ihm eröffnete:

„Das Kleid ist mir ĂĽberm Busen viel zu eng. Ich hab drei Knöpfe offenlassen mĂĽssen. Und was glaubst, wie mich die Männer angeschaut haben…“

Das war nun absolut genau das, was Papa nicht wollte. Ab nun blieb der KastenschlĂĽssel stecken. Und wenn Mama davon erzählte, huschte immer ein verschmitztes Lächeln ĂĽber ihr Gesicht, sie hatte – wenigstens dieses eine Mal – gewonnen…

© rebella-maria-biebel 2019-10-31