Freak

Laura-Sophie Thies

von Laura-Sophie Thies

Story

Sie fiel mir durch ihr krasses Make-Up im Gesicht auf, dass mit vielen Verzierungen ihre Augenpartie betont. Es zieht mich zu ihr, wie ein Magnet, kann meine Augen nicht von ihr lassen, muss immer wieder ihren Blick suchen. Das Disco-Licht flimmert über uns, die düsteren Beats wummern durch den Raum, bringen unsere Körper zum Vibrieren.

Sie lädt mich auf ein Red-Bull ein, streichelt sanft meine Wange, wir lachen, tanzen, bewegen uns nicht im Takt der Musik, schmiegen uns eng einander, bis sich unsere Lippen treffen. Sie schmeckt süß nach diesem Energy Drink, als sich unsere Zungen zum Tango duellieren.

Wir sind wie berauscht, leben dem Moment und Ich spüre die Schmetterlinge in meinem Körper, die lachend zum Leben erweckt werden. Mir war klar, ich liebe sie.

Doch dann eines Tages taucht sie an den Freitag-Abenden in der Disco nicht mehr auf. Niemand weiß, wo sie ist, auch ich erreiche sie nicht. Wie auch? Wir haben noch nicht einmal Nummern ausgetauscht. Selbst ihre Freunde, wenn man diese so nennen kann, wissen nicht, wo sie ist.

Verzweifelt halte ich jeden Freitagabend nach ihr Ausschau, suche sie in der Menge, bete sie wiederzusehen und wenn es auch nur einen Augenblick im dunklen Disco-Licht sein sollte.

Dann endlich, erblicke ich sie auf der Treppe, sie wirkt traurig, die Freude aus ihren Augen ist verschwunden, eine leere Hülle schaut zu mir auf, fällt mir um den Hals, sie unterdrückt ihre Tränen, um ihr Make-Up nicht zu ruinieren.

„Ich bin gekommen, um dich zu sehen, ich habe dich vermisst!“, flüstert sie mir leise in mein Ohr. Ich bin glücklich, sie endlich wieder in meine Arme zu schließen, sie wieder bei mir zu haben. Doch es sollte das letzte Mal sein.

Wir suchen uns einen Platz, reden viel miteinander, ein wenig Leben kehrt in ihre Augen zurück und doch ist da ein Schmerz. Ich traue mich fast nicht zu fragen, doch dann spricht sie von alleine.

Sie liebt mich, doch sie ist krank. Nur die Liebe kann sie heilen und sie davon abhalten sich selbst zu verletzen, sich zu zerstören. Ich bin geschockt, alles dreht sich, ich falle von der rosa Wolke tief in den dunkelsten Schlund der Hölle.

Ich bin eine achtzehnjährige Teenagerin, habe selbst Probleme zu bewältigen, die ich kaum selbst tragen kann, wie kann ich für sie Verantwortung übernehmen?

Ich umarme sie, wir tauschen Nummern aus, ich küsse sie zum Abschied, lasse ihre Hand los und gehe in die dunkle Nacht hinaus.

Auf dem Weg nach Hause schreibe ich ihr eine Nachricht, dass ich sie liebe und doch ich ihr nicht den Halt geben kann, den sie sich wünscht, ich bitte sie sich Hilfe zu suchen, mit mir Kontakt zu halten, dass wir einen Weg finden werden.

Doch ihre Antwort bleibt aus, eine leere tritt in mein Herz und mir wird bewusst, dass ich noch nicht einmal ihren richtigen Namen kenne. Ich kannte nur ihren Spitznamen, Freak. So hat sie sich selbst genannt.

© Laura-Sophie Thies 2022-11-24

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