von Elisabeth Otto
Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem? Diese drei Fragen stehen auf dem Cover eines vielgelesenen Buches und auch ich habe mir diese nicht selten gestellt.
Dank meiner Mutter wurde ich bereits in meiner Kindheit mit dem Reisefieber infiziert. Bis heute gibt es kein Mittel dagegen. Ich durfte schon im Grundschulalter am Strand spielen, mit dem Flugzeug reisen und andere Kulturen kennenlernen. Irgendwann wurde mir mein Heimatdorf zu klein, ich wollte raus und noch so einiges von der Welt sehen. Auf der anderen Seite habe ich früh gelernt, unabhängig zu sein und für mich selbst zu sorgen. Meine Mutter war alleinerziehend, dennoch konnte sie mir vieles ermöglichen – ich wollte auch so stark und eigenständig sein. Deshalb schwor ich mir beizeiten, mich niemals von irgendwem abhängig zu machen – weder vom Staat noch von Freunden und erst recht nicht von einem Partner. Wie bekommt man nun aber die Reiselust und den Broterwerb unter einen Hut? Meiner Meinung nach lag die Lösung des Problems darin, einfach direkt einen Job in der Tourismusbranche zu ergreifen. Obwohl mich das glücklich macht, überlege ich doch von Zeit zu Zeit, ob das wirklich alles sein soll.
So sehr ich meine finanzielle Unabhängigkeit liebe, so sehr wünsche ich mir auch ein freies Leben. Der Arbeitsalltag in Vollzeit spannt extrem ein, sodass Reisen und Ausflüge sorgfältig geplant werden müssen. Irgendwie fühlt man sich doch ein bisschen gefangen im „Hamsterrad“. So wollte ich eigentlich nie werden, wenn ich ehrlich bin. Einen kleinen Hauch von Rebellion habe ich schon immer in mir gespürt, auch wenn ich mit zunehmendem Alter ruhiger geworden bin. So ganz kann eben niemand aus seiner Haut. Ich beschäftigte mich bereits in der Schule mit alternativen Lebensentwürfen und die zunehmende Digitalisierung tat ihr Übriges. Ein Dasein als digitaler Nomade wäre doch traumhaft, oder? Ich schließe die Augen und sehe mich schon in einem Strandhaus auf Bali, mit Strohhut vor dem aufgeklappten Laptop in der Sonne sitzen. Plötzlich werde ich aus meinem Tagtraum gerissen, weil neben mir ein lautes Maunzen zu hören ist.
Mein dicker, flauschiger Kater der Marke Türkisch Angora kommt angewackelt und reibt seinen Kopf an meinem Arm. „Wie würde es dir denn in Bali gefallen?“, frage ich ihn. Er blickt mich mit großen Augen an und gibt ein seltsames Gurren von sich. Das wird vermutlich nichts. Aber so schlimm finde ich das gar nicht, denn auch das bin ICH: tierlieb, bodenständig, manchmal ein bisschen introvertiert und seit der neunten Klasse Vegetarierin. Ich weiß es zu schätzen, meinen Rückzugsort zu haben, an dem ich Kraft tanken und meine Batterien wieder aufladen kann. Meine eigenen vier Wände, in denen ich Erinnerungen aus meinem bisherigen Leben aufbewahren kann, ebenso wie kleine und große Geheimnisse. Mich so ganz ohne das alles von Ort zu Ort hangeln – kann ich das überhaupt? Viel materiellen Besitz brauche ich nicht, das gebe ich zu. Es lebt sich um einiges leichter, ohne zu viel unnötigen Ballast. Aber die letzten fünfundzwanzig bis dreißig Jahre in einen einzigen Wohnwagen quetschen? Das ist wahrscheinlich nicht machbar. Zumindest ist es für mich nicht vorstellbar. Aber wer weiß, irgendwann werde ich vielleicht einen Mittelweg finden – hoffentlich kommt der Kater dann mit.
© Elisabeth Otto 2024-11-20