Freiheit oder Leben!?

friederike kommer

von friederike kommer

Story

Ein Dilemma. Aus dem Tagebuch des Igels.

Zu klein und zu mager für den Winter in freier Wildbahn war das kleine Etwas. Vom Garten habe ich es ins Haus geholt. Das war am 3. November. Es hatte in der Früh 2°C. Igel kennen die Futterstelle der Vögel als Nahrungsquelle. Die Spatzen gehen ja verschwenderisch mit dem Futter um und lassen Körner und Flocken auf den Boden fallen. Abends dann, im Sommer, wenn es dunkel wird, sucht der eine oder andere Igel diese Stelle auf und hofft dort auch einen Wurm oder eine Schnecke zu finden. Im November läuten die tieferen Temperaturen den Winterschlaf für Igel ein. Sie sollten sich schon, wohl beleibt mit Fettreserven bis zum Frühling, an einen trockenen, geschützten Ort verkrochen haben. Aber dieser Igel saß am helllichten Tag unbeweglich am Vogelfutterplatz im Gras. Schon Tage zuvor hatte das Tierschutzhaus meiner Stadt Igel-Mütter und -Väter für zahlreiche Igel – Findlinge gesucht. Ich hatte mich beworben, wie prophetisch, als hätte ich den Hilferuf aus dem Garten schon vernommen … dann hat ein Igel selber „an meine Tür geklopft“! Ich wusste, was zu tun ist. Und ich war glücklich …

Dieses braune Etwas hatte Platz in meiner Hand. Es wog nicht mehr als 200 – 300g (ein Viertel Butter!). Es rollte sich nicht ein und wehrte sich nicht. Trockenes Laub lag genug herum, das legte ich reichlich in einen Karton und setzte – vorläufig – den Igel hinein. Trockenes Igelfutter hatte ich auch. Im Schuppen stand eine geräumige Holzkiste mit allerlei Sachen vom Renovieren. Die machte ich leer und gab Laub hinein. Schön sah das aus, so bunt. Ein Häuschen aus Karton kam dazu, da hinein würde er sich verkriechen können. Vierzehn Tage sind seither vergangen. Der Keller hat die richtige Temperatur. Futter habe ich nachgekauft. Das Laub im Garten ist feucht geworden. Heu aus der Kleintierabteilung tut es auch. Ich weiß noch immer nicht, ob Hedgehog ein Mr. oder eine Mrs. ist. Mittlerweile frisst der Igel pro Tag 150 – 200g. Er hat zugenommen. Aber ist er auch glücklich? Das würde ich verneinen. Während der ersten Tage hat er versucht aus der Kiste zu klettern. Einmal hat er es geschafft, ich habe ihn in einer Ecke des Kellers gefunden. Das Schlupfloch habe ich mit Karton zugemacht.

Habe ich das Recht einem Wildtier die Freiheit zu rauben, um es vor dem Verhungern im Winter zu bewahren? Als Mensch könnte der Igel an den Frühling denken. Er wüsste, dass die Gefangenschaft einmal ein Ende hat … Das Tier empfindet nur die Unfreiheit. Es leidet, ohne sich des Sinns bewusst zu sein. Mr/Mrs Hedgehog möge mir verzeihen.

Sie ist schon erstaunlich, diese Synchronizität des neuerlichen (4!!!) Corona – Lockdowns in Österreich und des seiner Freiheit beraubten kleinen Igels!

Am 19.11. sind 15.809 neu Infizierte gemeldet. Viele Menschen leiden, manche unverschuldet. Macht das Sinn? Ihr da draußen, kommt gut durch den Lockdown, handelt solidarisch und bleibt gesund!

© friederike kommer 2021-11-19

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