von lavoce
Wenn sich zum ersten Mal Zungen berühren, ineinander verlieren, verirren, liebevoll tänzelnd miteinander kommunizieren, nennt man das Magie des ersten Zungenkusses.
Die blieb mir irgendwie erspart.
Und dabei dachte ich, das perfekte Übungsobjekt gefunden zu haben. Groß, blond, blauäugig, süß, fiel der Junge aus der Nachbarschule genau in mein damaliges Beuteschema. Die örtliche Tanzschule, unser ganz persönliches Tinder der späten 80-er und frühen 90-er Jahre, spülte mir dieses Prachtexemplar eines fünfzehnjährigen Mannsbilds anfangs auf, dann vor, dann zwischen die Füße.
Wir trippelten uns von Tanzabend zu Tanzabend. Der Junge, mit schrägem Humor und glücklicherweise Taktgefühl gesegnet, wollte nicht nur den Takt mit mir erfühlen. Das verriet mir sein funkelnder, schelmisch grinsender, liebevoller Blick. Mit jeder Tanzstunde schwand ein wenig unsere Hemmung, direkt proportional dazu die Distanz zwischen unseren Körpern. Bis diese uns eines Abends gänzlich abhandenkam. Mit ihr meine Unschuld. Meine Zungenkussunschuld.
Zwei erwartungsvolle Gesichter näherten sich fiebrig, vorsichtig. Weiche Lippen legten sich behutsam aufeinander und SCHWUPPS forderte eine Zunge Einlass in meinen Mund. Willig öffnete ich selbigen.
Was ich im nächsten Moment bereuen sollte. Es war glitschig, glibbrig, feucht, nass, sehr nass, schmeckte nach Hubba Bubba und entzauberte fürs Erste meinen Glauben an magische Zungenküsse. Und dabei konnte man dem Jungen ein gewisses Bemühen nicht absprechen. Die Mühe wurde nicht belohnt. Nicht meinerseits. Dennoch erwiderte ich den Kuss. Und die gefühlt hundert weiteren. Übung macht schließlich den Meister. Nicht immer, wie sich herausstellen sollte. Das Ende? Ein sehr unrühmlicher Anruf seinerseits nach etwa dreimonatiger French-Kiss Beziehung.
Seine Worte: „Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei, hähä!“ Aufgelegt. Ich hätte ihm auch gerne eine aufgelegt. Durchs Festnetztelefon etwas schwierig. Seit damals ist mir schräger Humor leicht suspekt.
Um nicht gänzlich meinen Glauben an magische Zungenküsse zu verlieren, übte ich brav weiter. Den Zungenkuss konnte mir dennoch keiner so richtig schmackhaft machen.
Bis, ja bis …
Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
© lavoce 2024-02-22