Freude und Leid – Erinnerungen

Christine BĂŒttner

von Christine BĂŒttner

Story

Endlich war der 30. November 2016 da, denn ab jetzt war ich frei. Nach dem Hick und Hack, dass ich um zwei Jahre frĂŒher in Pension hĂ€tte gehen sollen und außerdem einen Mann hĂ€tte, der genug verdiene, hatte ich das 65. Lebensjahr und damit das Pensionsalter fĂŒr pragmatisierte Beamtinnen endlich erreicht.

Obwohl der REHA-Aufenthalt und der lĂ€ngerfristige Krankenstand viel zu meinem „gebeutelten“ NervenkostĂŒm beitrugen, wollte ich meinen Abschied nach mehr als 36 Dienstjahren an einer Schule mit zwei engen Freundinnen gebĂŒhrend ausklingen lassen.

Ich lud die beiden Ladies in die Schmankerlstub’n zum Essen ein und wir drei hatten einen mehr als lustigen Abend. Die große Überraschung aber war das Geschenk, das mir Gusti und Erika ĂŒberreichten. Ein Trockenblumenstrauß mit kunterbunten GarnknĂ€ueln. Erika hatte alles arrangiert und Gusti hatte die Sachen besorgt. Die Trockenblumen stammten aus Erikas Garten, sie trocknete im SpĂ€tsommer immer viele Blumen, die spĂ€ter als TrockenstrĂ€uße in ihrer Ferienwohnung aufgehĂ€ngt wurden – und manchmal verschenkte sie auch ihre Kostbarkeiten.

Die beiden merkten sofort, wie ich mich ĂŒber dieses ganz besondere Geschenk freute. Ich hĂ€kelte und strickte gerne. Wir ließen uns den Tafelspitz sehr gut schmecken, allerdings machte ich mir an diesem besonderen Tag ein wenig Sorgen, denn Erika klagte ĂŒber Bauchschmerzen. Nach dem guten Essen und Trinken waren diese Gott sei Dank verschwunden und wir ratschten und lachten bis weit nach Mitternacht.

Danach gingen wir immer wieder auf einen Kaffee oder zu einer Gassirunde im Augartenpark, bis mich ĂŒberraschend ein Anruf in Angst und Schrecken versetzte. Erika hatte eine schwere OP gut ĂŒberstanden, wobei mich die reißverschlussartige riesige „Narbe“ noch heute entsetzt, wenn ich daran denke. Die Chemo war wirklich mörderisch, aber ganz langsam ging es bergauf. Und dann wieder eine OP, die allerdings keinen Erfolg brachte.

Erika war inzwischen furchtbar dĂŒnn geworden und ihr letztes Zuhause befand sich auf der Palliativstation der Elisabethinen. Ich besuchte sie natĂŒrlich und versuchte sie aufzumuntern. Vor ihrem Tod aber sah ich sie öfters, denn sie hatte mich auserkoren, ihre eigene Traueranzeige zu gestalten. Sogar einen Text hatte sie selbst entworfen und dann standen folgende Worte auf dem Papier: Mit Demut die Vergangenheit begreifend, voll und ganz gestaltend in der Gegenwart, neugierig in die Zukunft blickend… TrĂ€nen schossen mir in die Augen, als ich das Geburtsdatum sah, daneben das Kreuz mit 00.00.2018. Ihr eigenes fröhliches Tulpenbild wurde als Umschlag auserkoren und ein Foto von ihr, das sollte ich aussuchen.

Am 26. Mai 2018 starb sie friedlich und sehr gefasst – Gusti und ich konnten diesen Tod ĂŒberhaupt nicht fassen, denn Erika war gerade mal 62 Jahre alt geworden, also kaum zwei Jahre in Pension. Noch heute spĂŒren wir eine große Traurigkeit, sie fehlt uns sehr, denn wir drei hatten noch so viel vor!

© Christine BĂŒttner 2020-09-30

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