von bluewhale
Nun bin ich schon das zweite Mal in Leipzig. Ich versuche meinen Freund so oft wie möglich zu besuchen. Da er nebenbei arbeitet und das auch bis am Abend andauern kann, bin ich sehr einsam. In Leipzig kenne ich natürlich niemanden, da diese Stadt 6 1/2 Stunden von meinem Wohnort entfernt ist und wir hier sogar von einem anderen Land sprechen. Natürlich habe ich einen großen Vorteil, da in Österreich und Deutschland dieselbe Sprache gesprochen wird – das erleichtert die Sache.
Ich bin eine Person, die nicht tatenlos zusieht, sondern die Eigeninitiative ergreift. Wie findet man Freunde in einer fremden Stadt? Für Sportclubs oder Hobbygruppen habe ich nicht besonders viel Zeit, da ich nie regelmäßig hier bin. Diskotheken und Co sind aufgrund von Corona weiterhin geschlossen.
Ich fing an zu Googlen und entdeckte auf Facebook eine „Neu in Leipzig“-Gruppe. Ich las mir einige Beiträge durch. Manche Anfragen waren sehr sympathisch, andere jedoch suspekt. Ich verfolgte den Verlauf der Beiträge und beschloss, dass ich selbst einen Beitrag verfasse, bevor ich auf den Richtigen warte.
Wie verfasst man eine Art Stellenanzeige über sich selbst, sodass es nicht zweideutig oder absurd klingt? Ich tippte los und überlegte sehr penibel, was ich über mich preisgeben möchte. Natürlich schickte ich meinen kleinen Steckbrief zuerst meiner Schwester, ob es sympathisch klingt oder eher peinlich. Sie gab mir grünes Licht und meinte, dass ich den Beitrag so posten könne.
Die Stunde der Wahrheit.
Einen Beitrag in eine Gruppe mit 2000 Leuten zu posten war für mich totales Neuland. Ich schickte den Beitrag weg und innerhalb von 2 Minuten bekam ich schon zwei Anfragen, jedoch waren diese Nachrichten sehr seltsam und deswegen nicht zu gebrauchen. Eine lautete: Habe auch keine Freunde, wann treffen wir uns?
Nach einigen weniger-seriösen Nachrichten bekam ich eine Nachricht von einem Mädchen, welches vor kurzem von Bayern nach Leipzig gezogen ist. Sie schrieb, dass sie bisher noch nie auf einen Beitrag geantwortet hat, jedoch meiner so sympathisch war, dass sie es versuchen möchte. Dies machte schon einen sehr positiven Eindruck auf mich, da sie über diese Facebook-Gruppe genauso unsicher ist wie ich. Ich checkte natürlich sofort ihre Facebook Seite und fand sie auch auf Instagram – es handelt sich also scheinbar nicht um ein Fake-Profil.
Ich sitze nun vor meinem Laptop und warte darauf, dass es 14:30 wird. Das ist die Zeit, wo wir uns zum ersten Mal treffen. Ich überlegte am Vormittag, was ich anziehen sollte, was meine Persönlichkeit wiederspiegelt und auf Anhieb sympathisch wirken könnte. Irgendwie ist es ein merkwürdiges Gefühl, sich mit einer Person zu treffen, welche man über das Internet kennengelernt hat. Ich hatte zwar nie Tinder, jedoch stelle ich mir so in etwa ein Tinderdate vor. In diesem Fall möchte ich aber keinen Partner fürs Leben finden, den habe ich ja schon, sondern eine gute Freundin.
Die gute Freundin übers Internet.
© bluewhale 2020-07-16