Friedel und Jan

Erdmann Kühn

von Erdmann Kühn

Story

Jan geht schon in die 3. Klasse und sagt, Friedel solle sich nicht z u sehr auf die Schule freuen, so toll wäre die nun auch wieder nicht. Friedel weiß nicht so recht, was er mit dieser Andeutung anfangen soll. Seine Schwester Bea berichtet gerne von der Schule. Es wäre toll dort und die Lehrerin so nett. Friedel hofft, diese nette Lehrerin zu bekommen, aber Bea meint, das könne er vergessen. Die könne sich ja nicht um die Kleinen kümmern, wenn sie schon die Großen unterrichtet.

Ach so ist das also. Er kommt zu den Kleinen! Dabei kann er doch schon lesen und schreiben. Auch hierzu gibt Bea sofort ihren Kommentar ab: “Doch nicht Druckschrift, du Dummerchen, Schreibschrift musst du üben. Hier, ich zeig’s dir, das fängt mit Schwungübungen an!” Ach du lieber Gott, was soll er denn mit Schwungübungen, wenn er schon komplette Wörter schreiben kann? Nein, Friedel weiß wirklich nicht, ob er sich auf die Schule freuen soll.

Manchmal, wenn er im Garten schaukelt, denkt er über all diese Dinge nach. Er liebt es, so hoch zu schaukeln, bis die Schnur einen Moment zuckt. Er sieht seine Füße weit in den Himmel fliegen und juchzt vor Vergnügen über das komische Gefühl im Magen, wenn es wieder runtergeht, mit dem Kopf in Richtung Erde. Das ist fast noch besser als Fliegen im Flugzeug. Er spürt den Wind, sieht wie die Bäume und Häuser an ihm vorbeifliegen, wie sie sich verbiegen, ja verbeugen vor ihm. Hoch hinauf und tief hinunter. Die Welt liegt ihm zu Füßen und der Himmel steht ihm offen.

Jan kommt raus und will Fußball spielen auf dem Hof. Jeder markiert sein Tor mit zwei Stöckchen. Friedel kriegt ein Tor nach dem anderen reingeschossen. Sein Bruder ist einfach größer und schneller als er. Jedes Mal glaubt Friedel, dass er es diesmal schaffen wird, wenigstens ein Tor zu schießen. Mist, wieder nicht geklappt! Bei zehn zu null ist Schluss. Jan ist zu allem Unglück auch noch stärker als er. Wenn sie mal kämpfen müssen, was hin und wieder vorkommt, verliert Friedel jedes Mal. Aber er will es nicht wahrhaben. Wenn Jan ihn am Boden hat und fragt: “Hast du genug?” gibt er nicht auf. Er schreit und tritt und spuckt und macht so lange weiter, bis Jan ihm wirklich wehtut, damit er aufhört.

Wenn die beiden Cowboy spielen, ist immer schon klar, wer zuerst von der Kugel tödlich getroffen zu Boden sinken muss. Alle Versuche, den Ablauf des Schicksals zu ändern, sind nutzlos. Er mag seinen Bruder wirklich gerne, aber manchmal ist es frustrierend mit ihm. Deshalb läuft Friedel lieber zum Eisbärenweg und guckt, welche Kinder da draußen spielen. Da ist die Chance größer, auch mal bei den Gewinnern zu sein.

© Erdmann Kühn 2021-07-06

Hashtags