Vor zwei Jahren haben wir an einer Busreise nach Ostfriesland teilgenommen – und für uns völlig Neues kennengelernt. So haben wir auf der Reise jede Menge von Windrädern gesehen, während sich bei uns jene, die sie bauen und jene, die sie verhindern wollen, wegen wenigen seit Jahren schon in den Haaren liegen.
Wir waren dort in Emden, der einzigen Stadt Deutschlands, die nur mit einem Buchstaben gesprochen wird („Em“), in einem Hotel namens „Upstalsboom“ untergebracht. Der Name geht auf die Zeit der „Friesischen Freiheit“ zurĂĽck, wo das die Versammlungsstätte der Abgesandten der friesischen Landesgemeinden war. Wenn man des Abends unterwegs war, war es gut, eine Visitenkarte des Hotels dabei zu haben, weil man ansonsten nach dem dritten Friesengeist dem Taxifahrer das Hotel vielleicht nicht mehr hätte nennen können.
Unter Anderem haben wir die Meyer-Werft in Papenburg besichtigt, wo wir erfahren durften, dass gut die Hälfte der Belegschaft „Ausländer“ wären. Die Werft liegt im Emsland, dort gelten die Ostfriesen als Ausländer – wobei die Grenze mitten durch Papenburg geht! Wir haben dort die AIDA NOVA noch im Dock gesehen, die letzten Arbeiten waren im Gange. FĂĽnf Wochen später wurde sie ĂĽber die Ems in die Nordsee ĂĽberstellt und ist, seit die Kreuzfahrt-Branche darnieder liegt, vor Teneriffa geparkt.
Emden ist auch der Heimatort von Ostfriesen-Blödler Otto. Dort gibt es deshalb „Dat Otto-Hus“, wo man Ottifanten und jede Menge anderer Dinge kaufen kann, die sich irgendwie mit Otto in Verbindung bringen lassen. Immerhin gehen die ĂśberschĂĽsse, die dort erwirtschaftet werden, an soziale Einrichtungen.
Ostfriesisch als Dialekt ist fĂĽr einen Mitteleuropäer nur ganz schwer zu verstehen. Lange wurde uns erzählt, dass die Ostfriesen mit „moin moin“ grĂĽĂźen – und das den ganzen Tag ĂĽber. Wer das hier vor Ort tut, gilt als Schwätzer. Ostfriesen grĂĽĂźen einfach mit „moin“.
Im Hotel, in dem wir von einer ganzen Reihe von bestens ausgebildeten Azubis (bei uns sagt man Lehrlinge) betreut wurden, haben wir dann auch den Friesengeist kennengelernt. Das ist ein klarer Likör mit sagenhaften 56% Alkoholgehalt. Während in der gesamt EU jedes Lebensmittel und jedes Getränk im Hinblick auf seine Inhaltsstoffe deklariert werden muss, beruft man sich auf der Flasche auf ein „Spezialgetränk“ mit „Geheimrezept“.
Nach dem Einschenken in Friesengeist-Gläsern (gibt’s im Friesengeist-Webshop) wird der Likör angezĂĽndet, danach der Spruch verkĂĽndet, den man sich merken sollte, der sich aber auch auf der Flasche befindet (und auch im Internet zu erfahren ist), und an der richtigen Stelle mit einer kleinen Pfanne (gibt’s auch im Friesengeist-Webshop) ausgelöscht. Danach kann getrunken werden. Die Azubis im Upstalsboom, die diese Zeremonie perfekt beherrschten, haben noch eine Erweiterung des Spruches zitiert: „Vorsicht an der Kante (des Glases), denn sie brannte.“ Schmeckt ĂĽbrigens super.
In diesem Sinne: Prost!
© Walter Lepuschitz 2020-08-11