„Du bist doch Sozialpädagogin? Wir bräuchten in der Kita noch eine Fachkraft. Hast du Lust? Fände ich toll! Kannst auch mit mir fahren.“ Meine Nachbarin Bärbel strahlt über’s ganze nette Gesicht und ich lasse mich verführen. Mein letzter Job mit Kiddis ist fünf Jahre her, die kreative berufliche Schaffenspause hat meine innere Uhr komplett verdreht. Punkt 7 stehe ich fix und fertig vor der Tür, im wahrsten Sinne des Wortes. Dicker Kopf – da abends Musik gemacht und lecker‘ Weinchen geschleckert. Koffeinfrei – weil verpennt. Die Haare wirr – Gatte und Sohn mussten ebenfalls ins Bad – steige ich wie Kraut und Rüben ins Auto. “Hey Tanja, ich freu mich so!”, jubelt Bärbel. “Das wird super!” Na, wenn sie meint, hoffe ich gerührt. Eigentlich würde ich jetzt mit Katern und Käffchen auf der Couch lümmeln und mich gemütlich Story.one widmen. Danach an meinem Roman weiterschreiben, ins Studio zum Tanztraining gehen, vielleicht noch den neuen Song proben …
Das selbst auferlegte Kontrastprogramm gleicht einer waschechten Zwergen-Invasion. „Kannst du mir was malen?“ “Kannst du mit mir puzzeln?” “Liest du uns was vor?” “Die Lotte hat mich gehauen!” “Ich will zu meiner Mama!” “Ich hab‘ Kacka in der Hose.“ Verzweifelt versuche ich allen gerecht zu werden. Als 1 Sekunde Luft ist, koche mir einen Kaffee. Grinsend versenkt Timo einen hübsch gerollten Popel darin. Dann kuschelt er sich auf meinen Schoß und gurrt: “Ich hab dich so lieb.” Mein Geduldsfaden steht auf Reiß-Alarm. “Na? Macht’s Spaß?”, fragte Bärbel im Vorbeigehen. Spaß am Arsch, denke ich, aber lächele tapfer.
“Erzählst du einen Witz?” Blaue, grüne, braune Augen leuchten mich an. Mir surrt die Stimme meines Dozenten für Familientherapie durchs Hirn:“Kommt der Witz, geht der Wahnsinn“. Hoffnungsvoll atme ich durch, ein Joke aus meiner Kindheit sprudelt mir über die Lippen: „Fritzchen und das Knoddelkärrnsche (Mistkarren)“. Die Kinder biegen sich vor lachen: “Nochmal!”, rufen sie begeistert. Jetzt komme ich in Fahrt. Es wird der absolute running gag. Lina malt mir ein Bild dazu, total süß! Bald kriegen die Zwerge spitz, dass ich einigermaßen zeichnen kann. Im Akkord fertige ich Einhörner, Ritterburgen, Feen. Aktuell Weihnachtsbäume, – sterne, -männer, -engel und Rentierschlitten. Nach dem 25ten Nikolaus erwische ich grün fürs Gesicht. Die Kids checken das sofort und kreischen: “falsch!” “Das kommt davon, weil er zu viel Weihnachtskekse gefuttert hat“, erkläre ich zwinkernd. “Am Ende kotzt der noch in den Sack!” Erschrocken schlage ich mir vor den Mund, zum Glück ist keine andere Erzieherin im Raum. “Nochmal!”, rufen die Zwerge lachend. “Kannst du mir das malen?”, fragt Marie. “Wenn ich DAS male, darf ich nicht mehr kommen.” “O neiiiiiin!” Sie fallen mir um den Hals. “Meine Tanja!” “Du sollst bleiben!”
“Na, macht’s Spaß?”, fragte mich eine der anderen Kolleginnen dieser Tage und – ob es wohl ein Weihnachtswunder ist ? – da entfleuchte mir aus ganzem Herzen ein sattes: „JA!“
© Tanja Gitta Sattler 2021-12-15