von Giggu
Der Ulrich Hartl hat von seinem Traktor aus einen guten Blick zur Kirche, wenn er in aller Früh zum Acker tuckert. Er schüttelt belustigt den Kopf, als er die Maria Schutz wieder zur Kirche wieseln sieht.
Die selbsternannte Kirchengemeinderätin Maria Schutz kommt täglich in die Kirche getrippelt – man kann auch sagen: Wie das Amen im Gebet. Und einmal wöchentlich möchte sie beichten. Da denkt sie sich allerhand Sünden dafür aus. Doch sehr ärgerlich sind in letzter Zeit zwei Tatsachen für sie, für die sie noch keine richtige Lösung hat. Zum einen wäre da einmal die Beichterei beim neuen, jungen Pfarrer aus Kamerun. Was soll sie dem beichten? Beim alten, verstorbenen Hochwürden hat sie das Blaue vom Himmel schildern können, weil der schon stocktaub war. Dem jungen Pfarrer, fürchtet sie, wird sie nicht alles unterjubeln können. „Es ist mein Leben derart ereignislos“, stellt die Maria Schutz betrübt fest, „dass ich gar nichts Sündiges zu beichten habe“. Nach einer Weile gibt sie sich kämpferisch, ballt die knochigen Fäuste und schreit: „Das muss sich ändern!“ Über sich selbst erschrocken schlägt sie ein Kreuzzeichen. In der Nacht kann die Maria Schutz nicht schlafen, sie dreht sich im Bett wie ein Windrad und ärgert sich über alles Mögliche. Zunächst einmal über den neuen Herrn Pfarrer, der sie genauso behandelt wie alle anderen. Sie! Die Beinahe- Kirchengemeinderätin mit dem – man muss das schon erwähnen – fast heiligen Namen! „Ja, wo sind wir denn?“, murmelt sie. Und erst die Beichte! Ein Horror, schüttelt es die Maria Schutz am ganzen Körper, wenn sie daran denkt. Blöderweise ist ihr nämlich keine schwere Sünde eingefallen, die sie hätte beichten können. „Mein Gott“, jammert sie, „ich kann doch nicht extra wen umbringen!“ Dieser neue Pfarrer sagt doch glatt: „Meine Tochter, wegen dieser lässlichen Sünden musst du nicht beichten gehen. Du kannst durch Gebete und gute Taten alles wieder ausgleichen“. „Der hat ja keine Ahnung“, raunzt die Maria, „vielleicht ist das in Afrika üblich, aber bei uns in einer anständigen katholischen Gemeinde wird ordentlich gebeichtet, und zur Buße müssen es mindestens zwei Vater-unser sein! Jawohl!“
Während sie sich schlaflos im Bett herumwälzt, fällt ihr der Ärger von letzter Woche ein. Unter der Marienstatue rechts vom Altar hat jemand eine Vase mit Wiesenblumen hingestellt. So ein Unkraut! Und „ihre“ Hl. Maria lässt diesen Frevel zu! Wütend hat sie den Strauß aus der Vase gefetzt und der Hl. Maria geschworen, nie wieder ein „Gegrüßet seist du“ zu beten.
Die zweite Tatsache, mit der sich die Schutzin herumschlagen muss, ist die, dass die Friederike, Bürgermeister Heinrich Blasls Gattin, ebenfalls jeden Tag in die Kirche kommt und betet. Denn seit ihr Sohn Hannes im Spital mit den Folgen seines Motorradunfalles kämpft, bittet die Friederike um Gottes Beistand. Die Maria Schutz betrachtet die Kirche aber als ihr Revier und die Friederike Blasl als Eindringling. Nur kann sie der Frau Blasl den Kirchgang nicht gut verbieten. Jetzt hat die Maria Schutz eine Lösung für ihre Wut gefunden: Sie spuckt immer ein paarmal ins Weihwasser, bevor die Friedrike Blasl gegen Mittag die Kirche aufsucht.
© Giggu 2024-08-06