von Hanna Nißl
Ehrlich, der seltsamste Anruf, den ich je erhalten werde, war der, dass nun der perfekte Zeitpunkt ist und ich mir bitte die Spritze geben soll. Dann Verkehr mit meinem Partner haben. Heute und Morgen! Auf der Liste der schrägen Dinge im Zusammenhang mit unserem Versuch, ein Kind zu zeugen, steht dieses Event ganz oben. Allerdings nicht als sonderlich einsame Spitze. Das Samen-Auffang-Teil, geformt wie ein kleiner Fallschirm für huflahme Spermien folgt definitiv dicht dahinter. An das Teil muss ich denken, während ich mir mein Frühstück mache. Haferflocken, eine Banane, gefrorene Blaubeeren, Hafermilch, Joghurt. Alles einmal durch den Mixer gejagt und Tadaa; das perfekte Fruchtbarkeitsfrühstück. Zusammengestellt aus allen Dingen, die irgendwie helfen sollen. Wenigstens schmeckt es auch. Auf jeden Fall um Einiges besser als der Frauenmanteltee, den ich zwei Monate lang drei Mal am Tag pflichterfüllt getrunken habe. Der schmeckte hauptsächlich nach Gras. So ist das, in der Laien-Welt der Fruchtbarkeit. Hat man einmal was dazu gegoogelt wird man die Werbung nicht mehr los. Und wo ich am Anfang noch abgewunken habe in der vollen Überzeugung, dass mich da nie etwas locken wird, folgte ein paar Monate später dann doch der Tiefpunkt mit dem Silikonschirmchen. Wenigstens konnten wir über diesen Fehler lachen und haben das Ding dann feierlich entsorgt. Der Tee war auch irgendwann ausgetrunken, also muss ich auch das rosa Storchen-Bild in meinem Tee-Schrank nicht mehr ertragen. Nur der ‘feminin’ gestaltete Zyklusmonitor sucht mich und meine Morgentoilette noch heim. Und eben mein Frühstück, mit dem Hafer und der Banane, die gut für das Progesteron sind. Ein bisschen albern ist das ja schon. Ich glaube auch nicht, dass, wenn es irgendwann klappt, es dann an meinem Frühstück lag. Wohl eher an den Spritzen und den ‘Sie dürfen jetzt loslegen’ Anrufen. Oder eben dem, was danach noch auf uns zukommt. Aber schaden kann es nicht, oder? Insgesamt bin ich wohl Vertreterin des ganzheitlichen Ansatzes, Schulmedizin, wenigstens ein bisschen wissenschaftlich fundierte Ernährung, und dann der richtige Hokus Pokus darum herum. Also schicke ich Abends, bevor ich einschlafe, positive Gedanken in meinen Uterus. Auch als Entspannungstechnik. Als ich damit angefangen habe, kam ich mir reichlich bescheuert vor. Mit den eigenen Organen zu reden ist eine ganz neue Ebene des Selbstgespräche Führens. Es hilft auch nicht, wenn sie dann zu allem Überfluss nicht mal auf einen hören. Aber mittlerweile ist es eine gute Einschlafhilfe, also was solls. Kann nicht schaden, im Gegensatz zum Spermienschirm, der ehrlich nur für Flecken sorgt. Den Amazon-Berwertungen zu dem Teil nehme ich wirklich so Einiges übel. Nun ja, ich fülle also meinen Smoothie in ein großes Glas und genieße die kühle Feuchte an meiner Handfläche. Das Fruchtbarkeits-Frühstück steht bereit und passt mit seinem hellen Violett immerhin zum Frühling.
© Hanna Nißl 2022-05-03