Fußgängerzone Bad Cannstatt

Günter Zimmel

von Günter Zimmel

Story

Bad Cannstatt, erstmals erwähnt anno 708, ist der größte, älteste und ein sehr geschichtsträchtiger Stadtteil Stuttgarts. Über den Knotenpunkt der öffentlichen Verkehrsmittel in Bad Cannstatt, dem Wilhelmsplatz, gelangt man im Norden direkt in die Marktstraße und glaubt sofort, eine andere Welt betreten zu haben. In der sehr reizvollen Fußgängerzone wirst Du umhüllt von alten und sehr schönen Fachwerkhäusern, Geschäften, Weinstuben und begleitet von unterschiedlichsten Gerüchen. Über die gepflasterten Wege flanierend glaubt man, ins späte Mittelalter versetzt worden zu sein. Der angenehme Duft von Kaffee und Backwerk umhüllt den Erkunder, während gefühlt tausend Schaufenster zum Bestaunen und Einkaufen verleiten. Ungefähr in der Mitte der Marktstraße tangiert der Besucher den süßen, kleinen Erbsenbrunnen. Dieser erinnerte mich immer ein wenig an den Manneken Pis in Brüssel.

Wir bewegen uns Richtung Norden, vorbei am Café Wien und biegen links in die Brählesgasse ein. Nach zirka einhundert Metern Richtung Westen erreichen wir die Hausnummer 21. Hier steht das älteste Gebäude Stuttgarts. Erst bei einer Untersuchung anno 2013 von Wissenschaftlern und Historikern der Stadt Stuttgart wurde im Haus Brählesgasse 21 ein Dachbalken gefunden, der die Jahreszahl 1348 trägt. Damit ist dieses Haus seit 2013 das ursprünglichste Gemäuer in Stuttgart. Um 1900 befand sich darin eine Gastwirtschaft mit dem Namen „Zu den drei Hasen“. Sogar der Name des damaligen Wirtes ist heute noch in den Archiven bekannt.

Von hier aus begeben wir uns gerade mal achtzig Meter Richtung Norden und erreichen das Klösterle. Es hat wohl jeder Mensch zumindest einmal in seinem Leben eine Ecke wissentlich oder durch Zufall entdeckt, die ihm ganz besonders ans Herz gewachsen ist. Hier befindet sich meine Ecke. Lange Zeit galt das Klösterle in der Marktstraße 71 als das älteste Haus Stuttgarts. Erbaut anno 1463, ist es wohl ein bürgerliches Wohnhaus wohlhabender Bürger gewesen. Mehr als 200 Jahre lang glaubte man, dass es einmal ein von Beginen (einer ordensähnlichen Hausgemeinschaft von gleichgesinnten Frauen) genutztes Haus war und wurde deswegen seit dem siebzehnten Jahrhundert Klösterle genannt. Seit anno 1983 befindet sich in dem Haus eine Weinstube. Dort genießt man in den Abendstunden eine herrliche Auswahl offener Weine, Flaschenweine aus der Region und bodenständige schwäbische Gerichte wie Rostbraten, Maultaschen, Fleischküchle oder Flädlesupp. Auch, wenn ich leider nie das Interieur gesehen habe und das Gebäude nur von außen kenne, ist das Klösterle für mich eines der schönsten Bauten, die ich in natura bewundern durfte. Immer, wenn ich an meine Zeit in Stuttgart zurück denke, erinnere ich mich automatisch auch ans Klösterle.

Am Ausgang der Marktstraße gelangen wir über die Wilhelmsbrücke, die Neckartalstraße, die Wilhelma und über den Rosensteinpark in den Schlossgarten. Aber das wird eine andere Geschichte.

© Günter Zimmel 2021-10-19