von Araldo Campana
Wenn ich gelenkiger gewesen wäre, hätte ich mir selber in den Arsch gebissen. So stand ich mit meinem Dokumenten-Ordner vor dem Service-Center der TIGAS und ärgerte mich grün und blau. Das kam so.
Vor zwei Jahren erfuhr ich, dass die Post Konsumenten dabei half, günstige Tarife für Strom und Gas bei alternativen Anbietern zu finden. So freute ich mich, dass am Ende des Jahres etwas mehr im Geldbörserl blieb als sonst. Im Jahr darauf kontaktierte mich die betreffende Mitarbeiterin wieder, abermals führten wir einen lohnenden Wechsel durch.
Dann kam 2022. Die Post war untergetaucht. Ich fragte nach. Sie machten das nicht mehr, ich möge doch selber auf der Homepage der e-control vergleichen und bei Bedarf wechseln. Gesagt, getan. Ich verglich und stellte fest, es gab keinen Unterschied zwischen TIGAS und meinem aktuellen Anbieter. Passt, kein Handlungsbedarf.
Dann kam Putin, der meinte, sich in der Ukraine verteidigen zu müssen. Neben den Meldungen vom haarsträubenden Leid der ukrainischen Bevölkerung kamen auch Meldungen von ausbleibenden Gaslieferungen, Sanktionen und steigenden Gaspreisen. Das wird wohl alle gleichermaßen treffen, dachte ich.
Am 26. August blätterte ich beim Frühstück in der Zeitung. Eine Meldung stach mir ins Auge. Ein privater Tiroler Gasanbieter hatte seinen Kunden einen Brief geschrieben. Er könne mit dem Preis der TIGAS als Privatunternehmer nicht mithalten. Er empfahl seinen Kunden, zur TIGAS zu wechseln. Sofort schaltete ich den PC ein, doch ein Wechsel war auf der Homepage der TIGAS nicht mehr möglich.
Nach einer halben Stunde Warteschleife im Call-Center packte ich meinen Ordner mit allen Unterlagen und fuhr nach Innsbruck zum Service-Center. Dort erfuhr ich: Bis gestern Donnerstag sind noch Wechsel durchgeführt worden. Ab heute Freitag ist das nicht mehr möglich. Die Produkte werden überarbeitet. Sorry.
Ich hätte mir tatsächlich selber in den Arsch beißen können, ein paar Stunden zu spät! Das würde Folgen haben, ich ahnte es. Während die Bestandskunden bis Donnerstag einen Tarif von 5 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, wurde eine Woche später den Neukunden ein Tarif von 26,28 Cent angeboten. Comfort privat, für die “anspruchsvollen Kunden, die einen Full-Service wünschen”.
Über den Full-Service-Arschbeiß-Tarif habe ich mich lange – vor allem über mich selber – geärgert, doch wem hilft’s? Und wenn ich die verstörenden Bilder der Nachrichtensendungen sehe, dann stellen sich sowieso ganz andere Fragen.
© Araldo Campana 2022-09-18