Für die Ewigkeit- Leseprobe

Anna Uano

von Anna Uano

Story

Meine Finger zitterten. Nicht nur meine Finger. Das Zittern breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich spürte den zarten Seidenstoff auf meiner Haut. Ich zwang mich aufzusehen in den Spiegel. Eine junge, wunderschöne Frau blickte mir entgegen. Ihr Haar floss seidig und leicht den Rücken hinab und auf ihrem Kopf lag ein weißer Blütenkranz, der funkelte und glitzerte. Ihre Wangen waren rosig im Vergleich zur sonst so blassen Haut. Die Augen wurden umrandet von einem dichten Wimpernkranz. Alles an ihr war wunderschön und beinahe perfekt. Ich blinzelte. Diese Frau konnte ich ein Leben lang sein, wenn ich nur wollte. Ab heute.

Mein Herz pochte in meiner Brust. Im Garten wartete die gesamte Gesellschaft darauf, dass ich ins Licht trat.

Ich seufzte. Es gab so viele Gründe, warum das der richtige Schritt war. Und doch war nur ein einziger davon wichtig für mich. Ich würde niemals zur Elfe werden. Doch war das wirklich der entscheidende Grund? Auch wenn ich Kyle davon überzeugt hatte, schlug mein Herz schneller, wenn er in der Nähe war. Beim Gedanken an ihn flatterten Schmetterlinge in meinem Bauch und Wärme stieg in mir auf.

Das Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Es war Feline. Als sie mich sah, begann sie zu strahlen. „Oh Lillian“, hauchte sie, „du siehst bezaubernd aus.“ Ich errötete. Als ich aufstand, spürte ich, wie mein Kleid an mir hinabfloss wie eine zweite Haut. Vorsichtig strich ich über den wunderbaren Stoff. Ich als Braut. Wieder begannen meine Finger zu zittern. Heiraten sollte man doch nur aus Liebe, oder? Aber vielleicht gab es noch wichtigere Gründe für eine Ehe? Und vielleicht, nur ganz vielleicht, war da ja sogar Liebe zwischen uns? Ich straffte meine Schultern und folgte Feline über die Schwelle.

Kaum betrat ich das weiche Gras, lag ein magisches Flimmern in der Luft. Ich hörte sie nicht, die Gäste, die bewundernd raunten. Ich sah sie nicht, die wunderschönen Blumenranken und Lampions die meine Schwester arrangiert hatte. Ich sah nur ihn. Er war alles was zählte. Mein unsterblicher Bräutigam.

Kyle stand am Ende des Weges, umwerfend und anziehend wie immer. Mein Atem ging schneller. Meine Schritte waren leicht und mir war, als schwebe ich auf ihn zu. Ich konnte mich nicht auf die Rede der Traurednerin konzentrieren, sondern sah nur sein makelloses Gesicht. Seine dunklen Augen, seine schmalen Lippen. Wie in Trance bekam ich mit, dass er mir den Ring an den Finder steckte. Ich hatte es ihm überlassen, die Ringe auszusuchen und wie ich es erwartet hatte, waren auch diese perfekt. Für einen kurzen Moment sah ich unsere Zukunft in endloser Unsterblichkeit. Dann war ich an der Reihe. Aufgeregt hob ich den schmalen, goldenen Ring vom Kissen und steckte ihn Kyle an den Finger. Was dann geschah, raubte mir für einen Augenblick den Atem. Kaum trugen wir beide unsere Ringe, schimmerten gläserne Schlingen um unsere Handgelenke. Ich wusste nicht, ob nur wir sie sehen konnten, sie glichen fast einem zauberhaften Armband. Doch sie waren keine Illusion, ich konnte sie deutlich auf meiner Haut spüren. Und da wurde mir klar, dass dieser Bund nicht mehr zu brechen war.

© Anna Uano 2024-08-24

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll