Gabi und John aus Schnelsen

Ann-Cathrin Hebel

von Ann-Cathrin Hebel

Story
Hamburg

Heute bin ich bei Gabi und John, sie sollen sich das Auto einmal anschauen, irgendwas stimmt mit dem Motor nicht. Gabi und John wohnen hier in Schnelsen in einem winzigen Häuschen mit großem Grundstück. Sie sind Aussteiger oder so etwas. Zumindest haben sie keine richtigen Jobs, sondern reparieren Autos, helfen bei Gartenarbeiten und so. Sie sagen, sie leben von Freundschaftsdiensten und nehmen nur kleine Spenden für diese. Es ist Schwarzarbeit, aber mir ist das egal. Gabi und John machen gute Arbeit. Außerdem tun sie viel für die Gesellschaft. Weil sie zeigen, dass es auch anders geht. Manchmal bin ich neidisch. Weil Gabi und John nichts müssen. Wenn ich abends nicht in mein Taxi steige, habe ich unzufriedene Kunden. Gabi und John haben keine Kunden. Sie haben nur Freunde.
Sie kaufen wenig neu. Wollen nichts verschwenden. Haben keinen Strom. Die Handys würden ohnehin nur depressiv machen, sagen sie. Ich kenne kaum Menschen, die so glücklich sind, wie die beiden. In ihrem früheren Leben waren sie so wie die meisten von uns mit 9-to-5-Jobs und Stressfalten auf der Stirn. Irgendwann waren sie mutig und haben diesem Leben den Rücken gekehrt.

Ich helfe Gabi dabei, den Gartenzaun wieder in Ordnung zu bringen, während John das Auto inspiziert. Gabi redet nicht viel. Vielleicht, weil sie so viel macht. Da hat das Gehirn keine Kraft, auch noch zu reden. Schweigend basteln wir an dem Zaun und tauschen nur die nötigsten Wörter. Irgendwann sind wir fertig und plötzlich quasselt Gabi auf mich ein. Was für eine Disziplin in der Trennung von Arbeit und Quatschen! Sie redet über die Salate, die sie im Garten angebaut hat und dann zeigt sie mir auch all das andere Gemüse, was sie mit John angebaut hat. Ich bin erstaunt, wie viel Essen man aus so einem Garten zaubern kann.
„Schnurrt wieder wie ein Kätzchen“, ruft John. Während er auf uns zugeht, bückt er sich, pflückt eine kleine Erdbeere und steckt sie in den Mund. „War nichts Wildes“, nuschelt er mit der Erdbeere im Mund.
Ich reiche John meine „Spende“ und bestehe darauf, beide noch zum Essen einzuladen. Sie lehnen ab. „Wenigstens in die Möbelhauskantine!“, rufe ich. Dem stimmen die beiden überraschenderweise zu, sodass wir alle in mein Taxi springen. Es fährt wieder tadellos.

Bevor wir das Restaurant im Möbelhaus erreichen, müssen wir es fast komplett durchqueren. Gabi und John hasten durch die Austellung, ich hätte mir gern das ein oder andere Möbelstück genauer angeschaut. „Alles Billo-Sperrholz und dafür geben die Leute n Haufen Kohle aus“, sagt Gabi und schüttelt den Kopf. „Und die alten Massivholzmöbel der Oma schicken sie auf den Sperrmüll“, pflichtet John ihr bei. Es erinnert mich daran, dass ich mein Regal zu Hause neu streichen wollte. Manchmal reicht ein einfaches Umlackieren und alles wirkt wie neu.
Angekommen in der Kantine – oder dem Restaurant – wie auch immer – wählen Gabi und John die veganen Gerichte. „Wir essen nur vegan. Für uns sollen keine Tiere sterben. Das ist heutzutage doch unnötig.“ Ich schließe mich den beiden an und wähle ein veganes Gericht. Gabi und John sind gute Menschen. Vielleicht können die Gabis und Johns dieser Welt uns helfen, besser zu werden.

© Ann-Cathrin Hebel 2024-03-07

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Hoffnungsvoll
Hashtags