Ganz viel dazwischen

Lisa Körner-Mißkampf

von Lisa Körner-Mißkampf

Story

Schwarz, weiß, hell, dunkel, gut, böse. So sehen wir die Welt. Für uns ist diese Einteilung ganz einfach, wir können sicher sein. Sicher sein, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Dieses Glück hat nicht jeder oder jede. Ganz im Gegenteil. Viele Menschen stehen immer auf der falschen Seite. Sie haben keine Chance, keine Chance dazuzugehören, mit dabei zu sein, mitgemeint zu sein. Es heißt, streng dich an, gib alles auf, was du bist, versuch es immer weiter. Wir sehen dir dabei zu und es amüsiert uns auch, wie sehr du dich bemühst. Aber am Ende heißt es: Wir haben deine Anstrengung zwar gesehen, aber Sorry. Reicht nicht! Du bleibst, wo du bist und wir bleiben, wo wir sind. Du gehörst nicht dazu. Tür zu.

Wir brauchen das, sagt man. Einfache Mechanismen, um mit der Welt umzugehen. Die Welt wird immer komplizierter, also brauchen wir immer einfachere Wege, um damit klarzukommen. So funktionieren wir, so funktioniert unser Gehirn. Einfach muss es sein. Hauptsache keine Anstrengung für Dinge, die nicht nötig sind. Nicht nötig für uns. Einfach für uns. Was kümmert uns die andere Seite? Lief doch gut, lief sehr lange sehr gut. Wir sehen, wir urteilen, wir öffnen Schubladen und bevor wir wirklich hineingeschaut haben, schließen wir sie wieder. Wir spielen „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“, wir verteilen den „schwarzen Peter“, wir fahren „schwarz“, es wird „schwarz“ gearbeitet, und wir wissen von wem, wir „schwärzen uns gegenseitig an“, keiner will das „schwarze Schaf“ der Familie sein. Dabei haben wir eine „weiße Weste“, ist ja klar.

Und wenn es richtig schwierig wird, also so kompliziert, dass wir selbst mit unserem antrainierten, gelernten, verinnerlichten und akzeptierten Mechanismen nicht mehr weiterkommen. Dann herrscht Ratlosigkeit. Wir reden dann plötzlich von Graubereichen, die Welt sei eben nicht nur schwarz und weiß. Es gibt etwas dazwischen. Wir fischen im Trüben. Wenn man plötzlich nicht mehr weiß, auf welcher Seite man steht. Dann wird es grau. Es gibt Lücken, zwischen richtig und falsch, zwischen erlaubt und verboten, zwischen Gesetz und Verbrechen.

Welch eine Chance läuft da ins Graue. Dabei liegt doch viel mehr dazwischen. Da liegt Rot, Blau, Grün, Gelb. Noch viel mehr: Feuerrot, Blutrot, Magentarot, Zinnoberrotrot, Königsblau, Himmelblau, Babyblau, auch Graublau, Tannengrün, Moosgrün, Smaragdgrün, Mintgrün, Goldgelb, Senfgelb, Safrangelb, Rapsgelb.

Alle Facetten, hoch und runter. Bunt könnte man sagen. Mehr als bunt. Unendlich, unaufhörlich, vielfältig.

Die Welt könnte so schön sein, so groß, so lebendig. Wenn wir uns die Mühe machen würden, sie zu sehen, sie zu erkennen. Es uns nicht zu leicht zu machen, uns anzustrengen. Wir können Grenzen überwinden, in unseren Köpfen und auf der Welt. Wenn wir lernen, zuhören, miteinander sprechen, verstehen, bereit sind uns selbst zu hinterfragen und dann selbstkritisch erkennen, was dazwischen wirklich bedeutet. Das ist jetzt unser Job.

© Lisa Körner-Mißkampf 2022-07-17

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