von Lea Chantal Ruff
„Alles, was ihr zum Basteln braucht, findet ihr Zuhause. Ihr benötigt 100 g schwarzen Sand aus Hawaii, 70 gelbe Wäscheklammern, Pinsel mit den Borsten eines Eisbären und weißen Bastelkleber.“
Sehr ähnlich verhält sich auch das Lehramtsstudium und der erste eigene Unterricht, man hat quasi auch alles zu Hause. Man braucht nur 20 A1 Bögen bunten Karton, die Handpuppe eines Geistes mit grünen Haaren und gelben Gummistiefeln und 100 Wackelaugen. Vor meiner ersten Unterrichtsstunde, das Thema war der Aufbau einer Tulpe, saß ich unzählige Stunden und habe aus Bastelkarton die einzelnen Teile ausgeschnitten. 80 Stängel aus grünem Karton, 80 braune Zwiebeln, 40 rote Tulpenblüten, 40 pinke Tulpenblüten, 40 gelbe Tulpenblüten und 40 orange Tulpenblüten. Als mir nachts um 01:00 Uhr langsam die Augen zufallen und ich im Halbschlaf eine Tulpe zerschneide, wird es Zeit für einen Kaffee. Neben mir ein leises Schnarchen, weil mein Mann, der ebenfalls seit Stunden Pappe zuschneidet, schon vor einer Stunde aufgegeben hat und eingeschlafen ist. Zusätzlich zu den Tulpen brauche ich Tischschilder zur Orientierung, Laufzettel zur Organisation und Sticker zur Motivation. Als ich gesehen habe, dass die Sticker glitzern, musste ich sie haben, dass danach auch alles andere, inklusive des Klassenraums, meiner Tasche und der Kinder, ebenfalls am Ende des Tages glitzern werden, habe ich dabei nicht bedacht. Ebenfalls nicht bedacht habe ich den Platz, den das Zeug einnimmt, also versuche ich alles in meinen Rucksack und einen silbernen Geldkoffer à la James Bond zu stopfen.
Meine zweite Unterrichtsvorbereitung lief ähnlich ab, dieses Mal brauche ich 20 Bildkarten und eine Handpuppe in der Form eines Geistes. Ich bin im Nähen zwar nicht so wirklich begabt, aber mithilfe von Verzweiflung, Kreativität und dem Drang danach, alles perfekt zu machen, habe ich aus einer Plüschananas, einem weißen Kissenbezug und 2 weißen Socken sowas wie eine Puppe genäht. Die Blicke meines Mannes und meiner Mentorin, beim Nähen und beim Anblick des Endproduktes waren allerdings unbezahlbar. Als hätte das nicht schon gereicht, benötige ich natürlich auch die Bildkarten, nur ist da das Problem, dass diese ausgedruckt werden müssen, und jeder, der schon mal ganz dringend etwas drucken musste, wird das Problem kennen, denn genau in diesen Momenten funktioniert gar nichts mehr. Plötzlich ist der gesamte Drucker kaputt, um die Farbe Schwarz zu drucken, werden auf jeden Fall Magenta und Cyan benötigt, und wenn man den Drucker dann mit Engelszungen und frischer Tinte doch dazu überredet bekommt, die gewünschten paar Blätter zu drucken, dann zieht er das erste Blatt ein und knüllt es bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter. Das Einzige, was einem dann noch übrigbleibt, ist den gesamten Drucker in penibler Kleinstarbeit auseinanderzunehmen und jeden Fetzen Papier daraus zu entfernen. Ich würde es auch an der Universität machen, allerdings gibt es dort zwar 13 Kopierer, aber nur 4 sinnvoll nutzbare Drucker für circa 9.000 Studenten, das klingt schon absolut ausreichend und so, als wären weder Wartezeiten noch Probleme zu erwarten.
© Lea Chantal Ruff 2023-08-30