von Johanna Ofenauer
Die langen Grashalme kitzeln meine Beine, wenn ich auf der Wiese liege. Ein Meer von weißen Gänseblümchen umgibt mich. Eines hat sich zwischen meinen Zehen verirrt und schmückt nun meinen Fuß. Ich spüre, dass sich etwas auf meinem Arm bewegt. Eine kleine Ameise versucht mich zu erklimmen. Ein leichter Windstoß fährt mir durch das Gesicht und lässt meine Haare tanzen. Die warmen Sonnenstrahlen bringen die Blumen zum Erblühen, sodass der Garten farbenfroh in Rot, Gelb, Lila und Weiß leuchtet. Auch den Vögeln scheint dies zu gefallen. Sie stimmen einen Freudengesang an und zwitschern im Chor. Die Kohlmeisen schaukeln am Meisenknödel, während die Spatzen fröhlich um die Wette fliegen und das neue Leben der Natur feiern. Eine Amsel hüpft über die Wiese und sucht einmal hier und einmal da nach Futter. Energisch pickt sie in die Erde und ihre Mühe lohnt sich. Sie zieht einen langen Regenwurm aus dem Boden und fliegt schnell davon.
Auch der Buchfink traut sich, auf der Wiese zu spazieren. Doch Vorsicht vor der Katze! Aus sicherer Entfernung beobachtet sie ihre Lieblingsspielgefährten. Wie eine Löwin auf der Jagd schleicht sie auf leisen Pfoten in Richtung Beute, setzt zum Sprung an und … Der Buchfink kann sich gerade noch auf den Ast des Holunderbaumes retten. Doch die Katze findet sich etwas Neues. Mit einem verwelkten Blatt tollt sie über die Wiese. In einer dunklen Ecke des Gartens liegt noch ein ganzer Haufen davon. Sie sind das letzte Andenken an den vergangenen Herbst. Manchmal raschelt es dort und ein Igel, der seinen Unterschlupf verlässt, schaut heraus.
Der Frühling bringt Farbe. Die neuen Blätter an den Bäumen sprießen schon und schmücken die kahlen Äste mit ihrem frischen Grün. Die Blütenpracht des Kriecherlbaumes ist weiß wie Schnee. Ich erinnere mich an die Süße seiner roten Früchte. Eine Biene fliegt summend um den Dirndlstrauch. Die Früchte des Gartens bringen im Sommer einen wunderbaren Obstsalat hervor: Äpfel, Birnen, Pfirsiche, dazu noch Marillen, Steinkirschen, Kriecherl und Dirndln. Wenn ich in die Büsche krieche, finde ich Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren und Ribisel. Auch der Herbst verwöhnt mich mit Nüssen und Maroni. Ich stehe auf, gehe den Gartenzaun entlang und lasse meine Finger über die Streben gleiten. Ein leises, sanftes Klopfen entsteht, wenn meine Fingernägel gegen das Holz schlagen. Im morschen Zaun entdecke ich ein kleines, sauber ausgefressenes Loch. Eine Holzbiene muss da am Werk gewesen sein und einen Platz zum Nisten vorbereitet haben. Ein Ast des Nussbaums liegt in der Wiese. Langsam setze ich erst einen Fuß darauf, dann den anderen. Ich balanciere, bis der Ast zu wackeln beginnt und ich in das Gras springen muss. Die Katze hat mich beobachtet. Sie sitzt im Gebüsch, geschützt vor der Sonne, und schaut mir neugierig zu. Im Garten ist Leben.
© Johanna Ofenauer 2021-04-19