Gaunersprache …

HelgaLombardi

von HelgaLombardi

Story
Lagos – Algarve – Portugal 2024

Dieser Begriff lief mir vor einiger Zeit über den Weg und blieb im Gedächtnis haften. Der Schweizer Journalist Roger Köppel hatte ihn im Laufe eines Vortrags in die Runde geworfen. Er meinte mit diesem Begriff u. a. jene Medienberichte, die eine manipulative Sprache benutzen, um z. B. Meinungen als Tatsachen erscheinen zu lassen. Einerseits sind Meinungen keine Tatsachen, noch können sie als Beweis für irgendetwas herangezogen werden. Aber nicht selten werden ganz persönliche Einschätzungen in Form eines kurzen Satzes mit Ausrufungszeichen! in die Welt gesetzt, was den Eindruck erwecken soll, es handele sich um unumstößliche Wahrheiten. A ist der Gute! Z ist der Böse! Die einschlägigen Fernseh-Talkshows sind voll davon. Aber auch im ganz normalen Alltag finden sich Beispiele.

Ich erinnere mich an zwei Kundinnen in unserem Charity-Shop. Es ging um eine Handtasche. „Das ist kein Leder!“ meinte die erste leicht abfällig und im Brustton der Überzeugung. Kundin Nr. 2 hingegen widersprach: „Das ist hundertprozentig echtes Leder, ich kenne mich da aus!“ Anschließend herrschte Schweigen. Mein Angebot zur Versöhnung: „Es lebe die Meinungsvielfalt!“. Auf Nachfrage ließ uns das Label im Innenfutter der Tasche in gleich mehreren Sprachen wissen: „Genuine leather. Echtes Leder.“ Aha. Aber wer versichert uns denn, dass selbst das Label kein Fake war, um den relativ hohen Preis der Handtasche zu rechtfertigen?

Was meint „Gaunersprache“ genau? Außer, dass man versucht, persönliche Meinungen als Tatsachen zu verkaufen. Es handelt sich beispielsweise um Sätze wie: „Eine Mehrheit von Wissenschaftlern ist sich einig“, ohne jedoch konkret Namen oder Beleg-Quellen zu benennen. Eine Mehrheit ist zudem clever gewählt, denn es fehlt wiederum eine wichtige Bezugsgröße. Wenn von fünf Stimmen zwei für einen Vorschlag votieren, und drei sich enthalten, wären die zwei Stimmen eine vergleichsweise Mehrheit. Aber eine solche (den Zusammenhang relativierende) Hintergrundinformation findet man eher selten.

Oder es werden schwammige Begriffe benutzt, die absichtlich in einen falschen Zusammenhang gestellt werden. Menschen werden als „Leugner“ bezeichnet, nur weil sie die von den Medien vordefinierte Interpretation eines Sachverhalts in Frage stellen bzw. eine andere Meinung vertreten. Warum nennt man diese Andersdenkenden nicht einfach Skeptiker, ohne ihnen gleich eine Art Negativ-Stempel aufzudrücken? Ähnliches gilt für das Adjektiv „umstritten“, so wie es aktuell gerne benutzt wird. Ein Wissenschaftler, der in den Medien regelmäßig als „umstritten“ bezeichnet wird, muss nicht selten um seinen bisher tadellosen Ruf, um einen lukrativen Forschungsauftrag oder am Ende gar um seine Hochschulkarriere bangen.

Diese „Gaunersprache“ ist verdammt clever gewählt, denn ihre Anwendung beinhaltet keinerlei Vergehen im zivil- oder gar strafrechtlichen Sinne. Was könnten wir daraus lernen? Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: = selber denken ist das Gebot der Stunde! Es führt uns Schritt für Schritt in Richtung Eigenverantwortung, dem Tor zur persönlichen Freiheit. Die Zeit ist reif …

© HelgaLombardi 2024-02-29

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Herausfordernd, Informativ, Reflektierend