von Carolin Gerum
Wie heißt es so schön; wohin du auch fliehst, deine Probleme werden dir folgen. Und das tun sie!
Gefühlt werden sie sogar noch stärker. Wann immer ich denke, jetzt geht es mir gut, jetzt habe ich es geschafft – zack, werde ich wieder zurückgeworfen. In das dunkle Loch der Unsicherheit, der Selbstzweifel und der Angst nicht genug zu sein. Dass es einfach wäre für alle, es gäbe mich nicht. Dass es egal ist, was mit mir ist. Weil ich völlig und total überflüssig bin. Ersetzbar. Auf allen Ebenen.
Logisch betrachtet erkenne ich unglaublich alte und tief sitzende Glaubenssätze darin, manche davon vielleicht auch gar nicht meine. Und doch ist der Schmerz und die Verzweiflung die ich fühle real und wen ich versuche sie zu beherrschen und zu unterdrücken, werde ich wieder stumpf und leer. Ein Gefühl, von dem ich, hoffte es, nicht mehr spüren zu müssen.
Und dann irgendwann kann ich es nicht mehr in mich hineinpressen. Dann brechen die Tränen und das Schluchzen aus mir heraus und ich versuche krampfhaft mich zu regulieren. Ein Ruderboot in einem Tsunami, das versucht auf Kurs zu bleiben.
Irgendwann lässt es dann nach, ich fühle mich erleichtert, weil all die Tränen raus durften. Gleichzeitig ist es mir peinlich. So extreme Gefühle. Das will doch keiner sehen. Gut, das ich rechtzeitig weggegangen bin und es niemand gesehen hat…
Wieder ein Muster- nur nicht zur Last fallen, nur nicht anstrengend sein, nur mit mir meine Probleme ausfechten.
Als in der Klinik die Frage aufkam, bei wem ich als Kind Trost gefunden habe, ist mir nur mein Kuscheltier eingefallen. Ich habe krampfhaft versucht meine Eltern zu sehen oder meine Geschwister. Es hat nicht funktioniert.
Ein Gefühl von tiefer Einsamkeit und Alleingelassen-Seins steigt in mir auf.
Jedes Kind sollte einen Menschen haben, zu dem es gehen kann, wenn es Trost braucht. Wo es sich sicher und geborgen fühlt.
Ein Gefühl, nach dem ich mich so sehne und es im außen nie finden werde. Nur in mir. Und das ist der Ort, an den ich am wenigsten will. Vor dem mir graut. Doch er ruft mich zu sich und ich muss gehn. Wenn nicht für mich, dann für meine Kinder. Damit ihnen, wenn es sie irgendwann gibt, dieser Weg erspart bleibt.
© Carolin Gerum 2024-07-07