Geburtserlebnis, Wochenbett, „Stillmafia“

Elisabeth Adensamer

von Elisabeth Adensamer

Story

Vor nicht allzu langer Zeit saß ich über 60-Jährige mitten unter lauter stillenden beziehungsweise mit der Flasche fütternden jungen Frauen. Dorthin gelangte ich, weil ich Taxidienste für eine junge Frau leistete, die aufgrund eines Kaiserschnittes keinen Maxi -Cosy tragen sollte. Ich sitze, beobachte und staune:

Ein junges Paar kommt mit seinem Baby. Auf die Frage der Hebamme, wie denn die Geburt gewesen sei, sprudeln beide nur so heraus. Ich höre, fantastisches Geburtserlebnis, et cetera, sie kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Ich, Jahrgang 1956, muss da irgendetwas versäumt haben, ich denke nach, ich glaube, es hat nicht einmal das Wort „Geburtserlebnis“ gegeben. Was war es denn, mein dreimaliges Geburtserlebnis? Ich war nur froh, dass es vorbei war, dass das Kind gesund war.

Ich schaue mich um, wie viele Frauen, die da sitzen, wohl mit Kaiserschnitt entbunden haben und wie es denen jetzt geht? Wie fühlen sich die, denen alle anderen das Geburtserlebnis absprechen, weil sie es nicht geschafft haben, „normal“ zu entbinden?

Ein junger Vater schrieb anlässlich der Geburt seines zweiten Kindes folgendes SMS: „Wieder eine prachtvolle Geburt, grandios, na ja, meine Frau, die kann das“. Wie unsensibel, solche Worte an eine Mutter zu schicken, von der er weiß, dass sie mit Kaiserschnitt entbunden hat.

Wie schön für alle, die das “Geburtserlebnis“ haben, aber mit der Feststellung, die Natur hat alles so perfekt eingerichtet, habe ich so meine Probleme. Es fallen mir sofort Fälle ein, wo es die Natur sichtlich nicht so perfekt eingerichtet hat. Ein Schwerstbehinderter aus der Nachbarschaft (Sauerstoffmangel, Zwerchfellriss, bei einem Kind, weil so gezogen und gezerrt wurde, Kopfverletzungen nach einer Zangengeburt). Diesen Frauen muss ich das „Geburtserlebnis“ nicht näher bringen.

Nächstes Thema: Wochenbett. In meiner Generation verbrachte man eine Woche im Krankenhaus. Dann holte mich mein Mann ab und fuhr ins Büro. Er mit dem Gefühl, einen perfekten Haushalt zu übergeben, ich mit dem Gefühl, wo soll ich mit dem Aufräumen anfangen?

Manche Männer haben die Möglichkeit ihre Frauen bestens zu versorgen, andere haben Dienstgeber, die wenig Verständnis dafür haben. Und wieder sitzen die zwei nebeneinander, die eine schwelgend, die andere frustriert, weil alles so war, wie sie es nicht wollte.

Letzter Punkt: das Stillen. Meine Karriere als stillende Mutter war schnell zu Ende. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Firma Milupa verdienen zu lassen. Gesehen habe ich den Stress, den die Mütter bekommen, wenn es nicht so klappt, wie geplant, die notwendigen Milliliter Milch nicht erreicht werden, Tränen, wenn das Kind nicht zunimmt. Da muss die Milch versiegen.

Viele Mütter kommen sich jetzt wie Versager vor. Als Zeichen dieses Drucks habe ich zum ersten Mal das Wort „Stillmafia“ gehört. Ich wünsche mir mehr Sensibilität im Umgang miteinander, dass die eigene Situation nicht das Maß aller Dinge wird.

© Elisabeth Adensamer 2019-06-20