von LinDa
Gestern habe ich während des Einschlafens über das Wort „Gedicht“ nachgedacht. Anlass dazu war, dass ich beschlossen habe, in nächster Zeit ein Gedicht-Tagebuch zu führen, damit ich am Ende der aktuellen Quarantänezeit auf etwas Positives zurückblicken kann.
„Gedicht“, denke ich, „Eigentlich ein komisches Wort. Erinnert mich an Dichte. Ergibt ja auch irgendwie Sinn. Bei einem Gedicht komprimiert man das, was man sagen will, auf das Wesentliche. Dicht gedrängt stehen die Worte und jedes Einzelne hat Gewicht, keines könnte man weg lassen.“ In gewisser Weise ähnelt unsere neue, vorübergehend notwendige, eingeschränkte Lebensweise einem Gedicht. Wir sind reduziert auf das Wesentliche, auf die Essenz des Seins. Die Anforderungen des Arbeitsalltags sind teilweise aufgehoben, statt Stress und Hektik stehen wir plötzlich neuen Herausforderungen gegenüber: dem Alleinsein, oder dem Zusammenleben auf engem Raum mit unserer Familie.
Auch gesamtgesellschaftlich sind wir auf das Notwendige reduziert. Denn jene, die noch arbeiten gehen, sind die, ohne die es einfach nicht geht. Ohne diese Menschen und die Arbeit, die sie leisten, könnten wir uns keinen Reim mehr auf das Leben machen, unsere Grundversorgung würde komplett zusammenbrechen. Und wir merken: alles andere ist offenbar nicht so wichtig, nicht so dringend, zumindest nicht überlebensnotwendig.
Flugreisen zum Beispiel können warten. Oder sind sie überhaupt nötig? Die Natur jedenfalls dankt es uns, wenn wir den Flug- und Autoverkehr reduzieren. Die Luftqualität wird merklich besser. Ob uns eine einfachere Lebensweise möglicherweise immer gut tun würde? Ich persönlich wünsche mir, dass wir uns diese Frage nach der Coronakrise stellen.
In jeder Krise liegt eine Chance. Diese Krise könnte uns die Chance bringen, als Gesellschaft die Frage zu stellen, wie wir wirklich leben wollen. Und vielleicht kommen wir ja drauf, dass das Leben mehr wie ein Gedicht sein soll: das Wesentliche, was wir brauchen, muss da sein, alles Weitere ist nur unnötiger Ballast.
© LinDa 2020-03-17