Geenie, postlagernd New York City

Story

Ich muss sie schon ganz am Anfang kennengelernt haben. September 1977. Irgendwer gab mir den Tipp. An der RĂĽckseite des „Waldorf Astoria“, vorne Fifth, hinten Park Ave & East 56th St. war „Oscar’s“ – best coffee in town. Normale Preise, normale Menschen. Bald verlegte ich das FrĂĽhstĂĽcksgeschehen in „Oscar’s“ Bar. “Zuhause” im Y, das Hostel fĂĽr junge, katholische Frauen, gab es nichts.

An dieser Bar traf ich Geenie, blondgefärbte Argentinierin aus Buenos Aires. Sie kam jedes Jahr, suchte sich Jobs für ein paar Monate, meistens im Haushalt. Das hatte ich auch vor, für den Anfang. Nur, mir gelang es nicht. Geenie hatte ein Postfach. P.O.Box. Sowas hatte ich nie. Immer nur Adressen. Interessanter Life Style.

Während ich bald so langsam vor mich hin scheiterte, bekam Geenie ihren Job. Ein gerade von seiner Frau verlassener Vater von 2 Kindern in New Jersey. Sie fragte mich – und ihn – ob ich denn mitkommen wolle/dürfe. Und da ich gerade eh nicht so viel zu tun hatte, sagte ich ja. So kam es, dass ich, am 1. September von London ausgezogen, um Amerika zu erobern, 15 Tage später, an meinem 27. Geburtstag, bereits von einer kleinen „Gemeinde“ in New Jersey gefeiert wurde. Happy Birthday, dear Margaret! Ich war gerührt, wähnte mich im Schlaraffenland und war überwältigt von der riesigen Kühltruhe mit zig Eissorten. Und von so viel Spontaneität und Gastfreundschaft.

Ich siedelte aber bald wieder nach Manhattan. Einige Funken Hoffnung hatte ich noch. Doch das „Y“ war zu teuer. 20.- pro Nacht ist eine Metziah für NYC, aber x 30 ergibt das auch 600.- pro Monat. Beim Auschecken traf ich eine Philippinin, die dasselbe Problem hatte. Wir einigten uns. Machten uns auf die Suche nach einem billigen Hotel. Sie hieß Flor Maglalan, nie vergess ich diesen Namen. Sie war ca. 146cm, weit unter meinen stattlichen 164cm plus halbwegs high heels. Und sie sagte in jeder Rezeption eindringlich: My name is Flor, with ONE o!!!

Unser DoZi war MiZi. Minimal. Zu zweit hatten wir nur Platz, wenn beide im Bett lagen. Dann konnte eine aufstehen und ihren Koffer holen. War der unter dem Bett verstaut, konnte die andere weitermachen. Flor war zufrieden. Sie war die vorauseilende Frau eines schriftstellenden Dissidenten auf der Flucht vor Diktator Marcos. Flor suchte wie verrĂĽckt Tag fĂĽr Tag nach einem Job und fand bald etwas, weit unter ihrem Niveau. Sie war eigentlich Unternehmerin und musste sich total verstellen, um den Job zu kriegen.

Ich war wieder allein. Immer wieder traf ich mich mit Geenie „postlagernd“ an der Bar im „Oscar’s“. Gegen Ende meines Aufenthaltes hatte ich viel zugenommen, junk food 24/7, rund um die Uhr, 7 Tage die Woche. Zuerst noch Kniches, Falafel und Bagels, dann bald ausschließlich Marsh Mallows. Geenie, die einen Brasilian Butt hatte, so JayLo-artig, schenkte mir ihre dunkelblaue Hose. In der verbrachte ich die restliche Zeit. Die glänzende Zukunft hatte ich bald hinter mir. Nur der Hosenboden glänzte noch, als Papa mich vom Zug in Spittal abholte.

© 2021-09-04

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