Gefangen auf der schönsten Insel Europas

Aluna

von Aluna

Story

Wenn ich daran zurückdenke, welchen Neujahrsvorsatz ich dieses Jahr unbedingt einhalten wollte, dann war es „Sei offen für neue Erfahrungen.“ Und den habe ich auch perfekt umgesetzt. Mit gepacktem Koffer, in den ich mein gesamtes Leben für ein halbes Jahr hineinbringen sollte, ging es zum Flughafen und in nur fünf Stunden hat sich meine Welt komplett verändern. Ich bin auf Gran Canaria gelandet. Dem Hawaii Europas, tropischem Klima und perfektem Spot für Surfbegeisterte. Die ersten Wochen fühlte ich mich wie im Paradies. Ein nicht endender Urlaub und das mitten im Februar, während meine Freunde in Deutschland noch die Wintermäntel trugen. Ich konnte den Blick nicht von der atemberaubenden Landschaft abwenden. Strände, Palmen, das Rauschen des Meeres, der frische Wind, unendliche Berglandschaften und Dünen. Auf der anderen Seite schöne Altstädte und Einkaufsmöglichkeiten, um das Gefühl, für ein halbes Jahr spanisch zu sein, voll auszuleben. Der Geruch von frischer Paella mit Meeresfrüchten und süßen Churros mit Schokolade. Ganz viel Regaeton. Die Vielseitigkeit dieser Insel war überwältigend.

Ich stand auf, machte mir Frühstück und ging zum Strand, an dem ich für ein Stündchen mit meinem Board in die Wellen ging und danach noch etwas mehr Sonne am Strand tankte. Sonnenuntergang schauen und die Natur und das lockere Leben um mich genießen. Am nächsten Tag stand ich wieder auf, frühstückte, ging zum Strand. Heute mal nur sonnen und schwimmen, ein bisschen lesen unter den Palmen. Abends war der Sonnenuntergang wieder so schön. Nächster Tag. Dasselbe Spiel. Vielleicht gibt es ja doch noch etwas anderes zu sehen? Die Auswahl ist begrenzt, ist nun einmal eine Insel. Die Vielseitigkeit zu Beginn erscheint mir plötzlich so einseitig. Aber ich hab doch den Strand, und die Sonnenuntergänge sind so wunderschön. Alle anderen sind so neidisch auf mich, so viele wären gern hier und ich habe die Chance. Nächster Tag. Ich habe keine Lust, zum Strand zu gehen, den Sonnenuntergang kenne ich. Wo ist meine Kreativität hin? Wer bin ich ohne diese Strandroutine? Ich habe es vergessen. Ich vergesse mich. Aber ich habe doch noch den Strand. Nächster Tag. Ich will mal was anderes sehen, wir fahren in die Berge. Endlose Berglandschaften, Palmen. Es zieht an mir vorbei. Meine Handygalerie voll mit Berglandschaften und Palmen. Ich habe es so gut, viele würden gern mit mir tauschen. Zurück an den Strand, der Sonnenuntergang ist wieder toll. Ich komme nachhause und lege mich erschöpft mit sandigen Füßen ins Bett. Ich weiß genau, was ich morgen machen werde. Es zieht an mir vorbei wie die Winde des Meeres. Ich schweife ab in Gedanken. Wie wäre es jetzt, in einem Wald spazieren zu gehen? Ich würde gern mal wieder einen richtigen Sturm erleben und mich in meine Bettdecke einkuscheln. Vielleicht mal wieder meine Lieblingslederjacke tragen ohne zu schwitzen. Ich bleibe im Bett für eine Weile liegen und starre an die Decke. Worüber definiere ich mich eigentlich? Macht mich das aus, was ich erlebe und dass ich offen für Neues bin? Bin ich das überhaupt? Ich fühle mich gefangen am schönsten Ort, den ich je gesehen habe. Schweigend bleibe ich liegen träume von den herbstlichen Regentagen zuhause.

© Aluna 2023-07-25

Genres
Reise