von Jennifer Böhm
„Die Augen sind das Fenster zur Seele.“, so sagte man. Aber was, wenn die Augen nur noch Leere ausstrahlten? Wenn im Inneren nur noch Finsternis herrschte? Als der Punkt erreicht war, der das Fass zum Überlaufen brachte und ab welchen Michis Psyche endgültig nicht mehr mitspielte, fühlte sein Leben sich so an, als hätte man als das Schöne einfach aus ihm rausgerissen und durch tiefe Abgründe ersetzt, aus denen er nicht mehr rauskam. In solch einer völligen Dunkelheit zu stecken, wünschte man nicht einmal seinem schlimmsten Feind.
Obwohl Müdigkeit und Mattheit ständige Begleiter in seinem Alltag waren, schienen der Schlaf und er keine Freunde mehr zu werden. Außerdem brachte der Bursche, der sonst recht viel vom Essen hielt, kaum noch einen Bissen hinunter. Nächtelang lag er wach im Bett und konnte kein Auge zu tun. In seinem Magen herrschte ein flaues Gefühl und die Gedanken schienen nur noch ein einziges Chaos zu sein. Die Angst davor, zurück zu seinem Job zu gehen, bereitete ihm Panikattacken, es verging kaum noch eine Stunde, in der er nicht bitterlich weinte.
So konnte es nicht weitergehen. Wenn sich nichts änderte, wäre es sein Untergang. Seine Mama brachte ihn zum Hausarzt, der nichts weiter tun konnte, als ihn sofort zu einer Psychologin weiterzuvermitteln. Die Diagnose war schnell gefunden: Depressionen – und zwar schweren Grades. Ihm wurden Tabletten verschrieben und die Ärztin versprach ihm, dass dieses Medikament wieder Licht in die Dunkelheit seines Kopfes bringen würde. So weit, so gut.
Doch auch nach Tagen setzte die versprochene Wirkung nicht ein. Im Gegenteil: Es schien immer schlimmer zu werden. Der wochenlang andauernde Schlafentzug hinterließ seine Spuren, seine Mama musste schon bei ihm übernachten, um zu überwachen, ob er überhaupt noch klar kam. Er sperrte sich nur noch in seinem Zimmer ein, die Wände mussten schon Löcher vom Anstarren haben. Sein Körper litt schwer unter den Strapazen und doch besaß er selbst nicht die Stärke, sich aus diesem Loch wieder herauszuziehen.
Langsam aber sicher konnte er gar nicht mehr unterscheiden, was Realität war und was sich nur in seinem Kopf abspielte. Es ging so weit, dass er Wahnvorstellungen entwickelte und Dinge bzw. Situationen wahrnahm, die so gar nicht stattfanden. Man konnte wohl sagen, er lebte nicht nur in einem Albtraum, sondern in seiner persönlichen Hölle. Michi selbst bekam von all dem oft nur vage etwas mit, dazu war sein Bewusstsein viel zu weit abgedriftet. Für all seine Liebsten war es jedoch die pure Qual, ihn so zu sehen und ihm dennoch nicht helfen zu können. Die Situation war im Rahmen der Familie nicht mehr schaffbar, daher sah seine Mama sich unter Tränen gezwungen, ihn wegzubringen…
© Jennifer Böhm 2023-01-07