von Thomas Paar
Die Jahre ziehen ins Land und ich habe auch noch kein Mittel erfunden, mit dem ich die Zeit stoppen kann. Letztes Jahr wurde meine kleine Schwester 30 und meine Frau und ich waren 10 Jahre zusammen. Heuer kommt unsere Nichte bereits in die Schule, und wenn ich meinen nächsten Bausparer rausbekomme, steht bereits die 4 vorne. Oft denke ich an das viel zitierte >>Früher<<. Je nach Stimmungslage mit Melancholie, Freude, Wut oder Frust. Über die Jahre hat sich wahrscheinlich für jedes Gefühl eine passende Situation ergeben. Was mir nie wirklich bewusst war, ist der Fakt, dass mich das geschriebene Wort seit jeher begleitet. Jetzt kann ich es deutlich sehen, dass Bücher immer irgendwie da waren. Ob ich diese Tatsache geschätzt habe oder nicht, das ist etwas anderes. Es ist noch gar nicht lange her, dass ich ein dickes Buch mit Gutenachtgeschichten, aus denen meine Mama mir vorgelesen hat, meiner Schwester gegeben habe. Dass es weitergegeben wird und Generationen überdauert. Beim durchblättern dabei konnte ich mir ein Schmunzeln kaum verkneifen. Meine absolute Lieblingsgeschichte hat mir meine Mama damals so oft vorgelesen, dass die Seite nur mehr lose drinnen liegt. Aber das Bild alleine erweckte die Erinnerung daran wieder zum Leben. Als ich dann endlich das Lesen lernte, war ich Feuer und Flamme dafür. Zumindest sagt mir das mein Gedächtnis. Die Radiokassetten wurden durch Tom Turbo Bücher ersetzt. Später wurden diese durch die Knickerbockerbande ersetzt. Dann verlor ich irgendwie den Faden dafür. Die standhaften Versuche meiner Familie, mich fürs Lesen zu motivieren, schlugen allesamt fehl. Im Nachhinein glaube ich, dass die Bücher, welche wir in der Schule lesen mussten, ihren Beitrag dazu leisteten. Doch das ist Schnee von gestern. Rein nach dem Motto: >>Am Ende findet zusammen, was zusammen gehört.<<
Genauso wie ich mich mit den Jahren weiterentwickelt habe, hat die Technik auch nicht davor zurückgeschreckt, neue Wege zu gehen. Lange wollte ich mich gegen das elektronische Lesen wehren. Eigentlich ja kompletter Unsinn, da man am Handy ja dasselbe macht. Die unzähligen Vorteile davon konnte ich irgendwann nicht mehr von der Hand weisen. So kam es, dass ich mir zu meinem 30er meinen ersten Kindle zulegte. Das Buch ist griffbereit in der Hosentasche. Kein benötigtes Licht zum Lesen. Unzählige Bücher auf einem Gerät. Zu wissen, dass man Flecken leicht entfernen kann. Alle diese Vorteile sind nicht zu leugnen. Trotzdem wollte und konnte ich mich nicht vom Buch trennen. Das Gefühl, wenn man es in der Hand hält. Der Geruch, wenn man es neu kauft und öffnet. Das sanfte Leselicht, das vor sich hin surrt, wenn man abends liest. Nachdem meine letzten drei gelesenen Bücher im Papierformat waren, habe ich heute wieder ein E-Book begonnen zu lesen. Ich wechsle mich ab mit dem Lesen. Denn beim Thema der Bücher bin ich gefangen in der Zwischenwelt.
© Thomas Paar 2022-05-26