Geflügelte Worte

Beederl

von Beederl

Story

Als Freund (ich weigere mich zu gendern – bin auch so frau’s genug) geflügelter Worte und Sprichwörter fällt mir zu vielen Stichworten, die ich wo aufschnappe, Entsprechendes ein. Es schießen mir Lieder und -passagen ein, die ich meist spontan ansingen kann. Meine Freundin kennt oft nicht einmal das Lied.

Meine Eltern waren typische Kriegskinder, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, oft nicht genug zu essen gehabt. Mein Vater – als einziger von sieben Kindern besuchte er die Hauptschule, Sommer und Winter war ein langer, beschwerlicher Schulweg zu bewältigen (mit Holzschuhen oder später mit seinem einzigen Paar Schuhe). Bergauf, bergab. Er kam mit 17 zur Hitlerjugend, meine Mutter hütete – neben acht Klassen Volksschule – zuhause die Kühe.

Sie waren also von der Bildung her eher bescheiden unterwegs, lernten aber vom Leben schnell und viel. Und so wuchs ich auf – als Einzelkind – mit allerlei Weisheiten. Oft waren diese böser Natur, süffisant und herabwürdigend. Mit diesen, mir immer noch im Ohr klingenden Dreistigkeiten, bin ich aufgewachsen und ich kämpfe lange damit, sie loszuwerden, so eingebrannt sind sie. Aber erst einmal musste mir das bewusst werden – als Kind übernimmt man ja ohne zu zensurieren.

Über die positiven Sprichworte bin ich ja nicht traurig – sie bergen Weisheiten in sich. Heute würde mich interessieren, wo meine Eltern diese aufgeschnappt hatten. Zu den bösen gehörten etwa, wenn jemand Alter gestorben ist “…, der wär‘ sowieso nimmer gewachsen!” Sowas ist nur bedingt lustig.

“Das wertvollste Geld ist jenes, das man nicht ausgibt!”

“Schlecht gefahren ist besser als gut gegangen!”

“Erhandelt ist besser als erarbeitet!”

Ähnlich geht es mir mit der angestammten Sprache, mit Mundart im weitesten Sinne. Ganz bewusst wähle ich oft solche Formulierungen, weil das generell eingedeutschte deutsch-deutsch vernichtet unsere wohlklingende österreichische Sprache. Diese ist viel melodiöser, weicher und tiefer in unserem Leben verwurzelt, als hochdeutsch. Wir sprechen zwar dieselbe Sprache, aber nicht die gleiche, oder umgekehrt. Auch daher kommt unsere Aversion gegen unsere Nachbarn. Sie haben sich an unser abfälliges “Piefke” gewöhnt. Unsere Lautfärbung drückt einfach eine tiefere Einfühlsamkeit des Begriffs aus.

Wenn ein Deutscher singt “Wann ist ein Mann ein Mann” oder wenn unser Udo Jürgens singt “Der Mann ist das Problem”, so klingt zweiteres immer noch ungemein charmant. Er hat immer exakt die österreichische Seele wiedergegeben und besungen, hat sich – trotz Erfolg in Deutschland – nicht von dieser Mentalität aufsaugen oder untergraben lassen. Er hat tief drinnen seine Wurzeln gepflegt und genährt.

So geht es mir auch, wenn ich die alten Wienerlied-Texte hernehme. Sie lautmalen weich und schmeichelnd, erzählen mitten aus dem gelebten Leben heraus, rührend, rührig und fantasievoll. Wir sollten alles daran setzen, dies nicht in Vergessenheit geraten zu lassen!

© Beederl 2021-05-29