Als ich die Tür des Gefrierfaches öffnete, um ein Sugo di pomodori zu suchen, das ich aus den Paradeisern meines geliebten Hochbeetes hergestellt hatte, schoss es mir brandheiß ins Gehirn: Ich hab schon wieder vergessen das Gefrierfach abzutauen, zu enteisen. Das Bild, das sich mir darbot, war erschreckend. Wie in einer Tropfsteinhöhle wucherten Stalagmiten und Stalaktiten um die Wette. Das gewünschte Gefriergut konnte ich so nicht bergen. Ich holte mir ein stumpfes Messer und kratzte die obersten Eisschichten ab und krallte mir das gesuchte Behältnis mit dem Sugo. Das Etikett war nicht mehr lesbar, doch ich war mir ziemlich sicher, dass es das gesuchte Sugo ist. Bei meinem letzten „Gefrierfachbesuch“ hatte ich mir geschworen, die Kühl-Gefrierkombination komplett abzutauen und auch gleich auszumisten. Aus den Augen, aus dem Sinn – hab es wieder vergessen! Ich verwende die Gefriereinheit eher sporadisch, meist nur für Eiswürfel. Doch jetzt im Winter habe ich eher Lust auf Heißgetränke anstatt Eisgetränke. Also fiel mir das Verdrängen der ungeliebten Arbeit leicht. Ich öffnete das Behältnis mit dessen Inhalt ich die Spaghetti al pomodoro krönen wollte. Unter der Eisschicht lugte etwas Rotes hervor, ich kratzte die Eiskristalle ab und siehe da, ich hatte mich nicht getäuscht.
Kurz war ich erleichtert, doch dann hörte ich im Geiste diese dämonische Musik, ähnlich wie in „Psycho“ während der Duschszene…..und eine männliche, drohende Stimme rief laut GEFRIERBRAND! Ich hatte so eine Art flashback – eine Vision aus der Vergangenheit. In den Achtzigerjahren konnte ja einer Hausfrau nichts Schlimmeres passieren, als Gefrierbrand oder ein verkalkter Heizstab. Die beiden Männer aus der Werbung, die den Frauen die Welt, mit ihrem gesunden Hausverstand, erklärten (ja auch der war männlich konnotiert) hatten eine so bedrohliche Ausstrahlung, dass ich mich persönlich angegriffen fühlte. Sie stierten mich mit ihren bösen, kleinen und stechend dreinblickenden Augen durch den Fernseher hindurch an. Ich fühlte mich sofort schuldig. Lange Zeit hatte ich nicht mehr an diese präpotenten Welterklärer gedacht, die damals so selbstverständlich waren und jetzt „wie aus der Zeit gefallen“ anmuten, wenn mich heute jemand fragen würde, wie waren die Siebziger, Achtziger etc … Meine Antwort wäre: schaut euch die Werbungen aus dieser Zeit an, da könnt ihr dem Zeitgeist pur erleben, aber Vorsicht, das ist nichts für Weicheier! Vielleicht reagiere ich auf diese selbstverständliche, männliche Besserwisserei so humorlos, weil mir in meinen Zwanzigern zu viel davon eingetrichtert wurde. Ich weiß nicht, ob heute noch Gefrierbrand existiert, oder ob in Werbeeinschaltungen solche Klischees noch bedient werden, da ich schon lange keine Werbung mehr anschaue.
Das Mittagessen hat gut geschmeckt, das Gespenst Gefrierbrand habe ich verjagt, nur den Kühlschrank habe ich immer noch nicht enteist. Ich mache es aber gleich, wenn ich diese Geschichte beendet habe………
© Christine Hagelkrüys 2024-02-10