von Sandra Neumüller
Nicht, dass ich das Klischee der immerzu kaffeetrinkenden LehrerInnen aufbrechen möchte, aber es gibt durchaus Schulen, an denen man besonders behandelt wird, sobald man Kaffee gerne mit nicht veganen oder gar gesundheitsschädlichen Zusätzen konsumiert.
Nach einer langen Autofahrt von meinem Wohnort zu meiner damaligen Schule lechzte ich schon nach meinem nächsten Muntermacher, um die Zeit bis zur Pause gut durchzustehen. Schließlich erwartete meine vollbesetzte und für so viele Kinder eigentlich viel zu kleine Klasse ein Energiebündel als Lehrerin.
Da ich der einzige Mensch in diesem Kollegium war, der sich an die Kaffeemaschine wagte, musste ich mich wenigstens nicht anstellen. Außerdem bezeichne ich mich heute immer noch nicht als vegan und auch die eine oder andere Süßigkeit dient mir bis heute als Nervennahrung. Im Vergleich zu meinen smoothietrinkenden, sich zudem fast ausschließlich pflanzlich ernährenden Kolleginnen pflege ich zugegebenermaßen wirklich einen eher ungesunden Lebensstil im schulischen Alltag.
Als das Knöpfchen des Wunderdings „Kaffeemaschine“ gedrückt und der heiße Muntermacher in meiner Tasse gelandet war, wanderte meine Hand Richtung Griff des Kühlschranks. Darin befand sich eine kleine Packung mit Vollmilch, denn ich genieße meine Milch gerne mit einem Schuss Kaffee – so und nicht anders herum.
Dieser Morgen verlangte ferner nach einem Stück Würfelzucker, welches ich vorsichtshalber schon neben meiner Tasse platziert hatte, als wäre ich nebenberuflich Hellseherin. Just in diesem Moment nämlich kam eine meiner Kolleginnen, um sich den neben der Kaffeemaschine stehenden Wasserkocher für die Zubereitung ihres Grüntees zu schnappen und bemerkte meine Unverfrorenheit mir selbst gegenüber.
Keineswegs hatte ich nach einer Belehrung gefragt, aber da war es schon geschehen. Mit großen Augen und hochgezogenen Brauen beäugte sie ungläubig mein Tun. Die bereits geöffnete Vollmilchpackung in meiner Hand, der erste Tropfen war schon im Kaffee gelandet, zitterte plötzlich, als es lauthals von meiner Kollegin hieß: „Um Gottes willen, ist das etwa echte Kuhmilch? Geh bitte! Also geh bitte, es muss dir doch klar sein, dass du den armen Kälbchen das Futter stiehlst!“
Als neu ernannte Futterdiebin wusste ich nichts zu erwidern. Meine Kollegin aber, ihre ganze Überzeugung des Veganismus und der gesunden Küche zusammennehmend, rief in einem Tonfall, der all ihr Unverständnis zum Ausdruck brachte: „Geh bitte! Du kannst dir doch nicht auch noch Zucker in dieses dehydrierende Gesöff kippen. Das ist doch nicht nur ungesund… das ist schlichtweg pures Gift für deinen kleinen Körper!“
Stumm blickte ich auf meinen Kaffee, fuhr damit fort Milch und anschließend Zucker hineinzukippen und nahm meinen ersten Schluck. Ich hatte mir diesen Genuss redlich verdient!
© Sandra Neumüller 2023-04-23