Geh weida!

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Es ist 1917, der Erste Weltkrieg geht ins 3. Jahr. Endlich hat die Familie Percht ihren eigenen Bauernhof auf dem Buchberg bei Bischofshofen.

Für den Vater Sepp Percht ist die Lage des Hofes gut, ins Tal sind es nur mehr 20 Gehminuten zu seiner Arbeitsstelle als Kohlenarbeiter bei der K+K Eisenbahn Salzburg-Tirol. Von dort bringt er sicheres Geld nach Hause.

Die nunmehrige Mitten-Mutter Maria Percht, geb. Portenkirchner, eine Bauerntochter aus dem Pinzgauer Dienten, bewirtschaftet den kleinen Bauernhof alleine. Dort ist sie bald mit sechs Mädchen, vier davon sind noch sehr klein, alle müssen fest mit anpacken. Für die beiden ältesten Söhne ist zu Hause kein Platz, sie kommen nur zum Aushelfen. Der zweite Sohn Hans, mein Opa, lebt und arbeitet als 13-jähriger Knecht beim Götschenbauern auf der anderen Seite des Salzachtales. Er will aber, wie sein Bruder, auch zur Eisenbahn, die Arbeit ist dort wesentlich leichter. Das wird aber noch einige Jahre dauern.

„Mitten”, die neue Bleibe der Familie Percht ist eines von vier Bauernlehen, die im knappen Abstand, fast in Rufweite, zueinanderstehen. Der Bauernhof „Platten“ steht zirka 50 Meter höher als die drei anderen und ist der größte der Höfe.

Der Buchberg ist in dem beschriebenen Bereich ein sanft geschliffener, wenig bewaldeter Rücken über dem Salzachtal. Die Wiesen sind grün vom meist reichlichen Salzburger Regen, der Boden ist tiefgründig. Aber es gibt keine ergiebigen Quellen in dem Bereich. Eine verlässliche Wasserversorgung wurde erst mit den „Steyler Missionaren“ sichergestellt, vier ertragreiche Quellen an den Ausläufern des Hochgründecks wurden gefasst.

Trotzdem kam es zu Engpässen, wie die Plattenbäuerin berichtet, sodass deren Vieh in trockenen Sommern zur Salzach zum Saufen hinunter getrieben werden musste. „Mitten” hatte weit weniger Wasserbedarf, es gab wenig Großvieh, dazu ein paar Facken und Hendl.

In unseren Familiengeschichten taucht immer wieder das Motiv auf, in welchem eine Kuh vom „Mitten” ins „Holzlechn“nach Dienten, der „Hoamat” der Mutter, getrieben werden musste. Die Mädchen übernahmen den Viehtrieb mit Haselnussstecken und „Geh weida”-Rufen. Sie wurden angehalten nicht zu trödeln und nicht vom Weg abzuweichen, sonst würde sie der Teufel, der in den Teufelslöchern haust, holen.

Die Teufelslöcher sind gut sichtbare Höhlen an der Südflanke des Hochkönigmassives. Der einsame Weg der Mädchen führt offensichtlich auf dem idyllischen Höhenweg vom Arthurhaus zur Erichhütte, eine heute viel begangene Wanderroute vom Pongau in den Pinzgau.

Wie lange die Mädchen mit dem Rindvieh unterwegs waren, darüber schweigt die Familiengeschichte. Ich schätze 8 Stunden in eine Richtung, wenn man nicht trödelt und wenn einen nicht zwischenzeitlich der Teufel holt.

Meine 8-Stunden-Theorie möchte ich in einem Versuch demnächst erhärten. Ich werde den Wetterbericht gut studieren.Und ja, eine Kuh muss ich mir auch noch irgendwo ausleihen.

© Gerhard Maier 2020-08-19

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