Geheimer Baum-Kauf

LillyRuth

von LillyRuth

Story

Es war Liebe auf den ersten Blick. Ja, wirklich. So wie im Film.

Nur, dass es sich nicht um einen Menschen handelte, sondern um ein Bäumchen, dem ich beim Flanieren durch die örtliche Gärtnerei verfallen war. Ein Amberbaum. Eine herbstliche Schönheit. Die Blätter tiefrot. Mein Herz schlug höher. Ich war verliebt und beschloss sogleich: den muss ich haben! Im gleichen Moment machten sich jedoch Gewissensbisse breit, denn es gibt eine Sache, die mein Mann nicht ausstehen kann. Nämlich, wenn ich Sträucher und Bäume heimschleppe und sie im Garten ohne sein Wissen einsetze. Und dennoch: der Drang, dieses Bäumchen zu erstehen, war größer. Als der Gärtner auch noch den erstaunlich günstigen Preis nannte, war der Plan besiegelt.

Ich weihte den Verkäufer in die Tatsache ein, dass mein Angetrauter kein Freund von spontanen Pflanzenanschaffungen größeren Ausmaßes war und es nur einen Weg gab: der Baum musste einfach vor der Tür stehen. Keine Diskussionen. Null partnerschaftliches Mitspracherecht. Niente. Ehefrauen-Diktatur sozusagen. Schließlich war es auch mein Garten!

Der Gärtner warf mir einen verschwörerischen Blick zu und und nickte verständnisvoll. Es gab nur ein Problem. Wie sollte ich das Bäumchen in meinen Fiat hineinzwängen? “Das mach’ma schon!”, meinte der Mann mit dem grünen Daumen Zuversicht verströmend.

Nach dem Bezahlen trug er das herbstliche Schmuckstück zum Parkplatz und blieb dann doch etwas ratlos vor meinem Fahrzeug stehen: “Oh, das Auto ist kleiner als ich dachte.” Doch nun gab es kein zurück mehr. Wir legten Sitze um, bogen die Äste behutsam nach allen Seiten, um den Baum nur ja nicht zu beschädigen. Zu guter Letzt musste noch ein Platz für meinen dreijährigen Sohn gefunden werden, der das Schauspiel rund um den “Geheim-Kauf” von Anfang an mit großen Augen und offenem Mund verfolgt hatte. Verkehrssicherheitstechnisch vertretbar schnallte ich den Buben in seinem Kindersitz an. Zudem übertrug ich ihm die Aufgabe, während der kurzen Heimfahrt das Bäumchen, das sich mit seinen zarten Gliedern quer über das Fahrzeuginnere erstreckte, am Stamm zu halten, sodass es nicht verrutschte.

Mein Sohn, der während der Fahrt sogar mit seinem nunmehrigen hölzernen Freund sprach, erfüllte den Auftrag bravourös, schälte sich daheim angekommen sofort aus dem Sitz und lief freudestrahlend zu seinem Vater: “Papa, wir haben einen neuen Baum gekauft! Aber das darfst du eigentlich noch gar nicht wissen.”

Geredet hat mein Mann zwar erst am nächsten Tag wieder mit mir. Dafür ist der Amberbaum seit Jahren meine größte Freude im Garten und wenn sich Ende Oktober die seesternartigen Blätter blutrot verfärben, steht sogar mein Göttergatte gerne mit glänzenden Augen vor dem herbstlichen Prachtstück. Im Vorjahr hörte ich ihn zu dieser Jahreszeit einmal sagen: “Schön ist er irgendwie schon. Dein Baum, den du damals – ohne mich zu fragen – angeschleppt hast. Wiedermal typisch für deinen Dickschädl.”

(Bild: dreamstime)

© LillyRuth 2020-10-06

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