von Damir Strbac
Auf diese Vorstellung habe ich mich schon gefreut. In Kürze beginnt das „Theater des Lebens“. Der Saal füllt sich, alle Gäste sind anwesend. Es wird still. Alle sind auf ihren Plätzen und es wird dunkel im Theater. Wir freuen uns auf die Vorstellung, die gleich beginnen wird. Ein Lichtstrahl fällt auf die Bühne, diese bleibt jedoch leer. Es ist ruhig, weit und breit ist kein Darsteller zu sehen. Die Vorstellung kann beginnen. Das Theater ist kein gewöhnliches, es ist vielmehr ein ganz persönliches, jeder Besucher wird eine andere Vorstellung sehen. Es ist das Theater meines persönlichen Lebens, das von meinen Gedanken auf die Bühne getragen wird. Der Regisseur bin ich. Ich blicke auf die Bühne, sie ist leer. Ich schaue genauer hin und konzentriere mich und da bin ich auch schon als 4-jähriges Kind. Ich sitze mit meinem Bruder und meinen Eltern am Esstisch in der Küche unserer Zweizimmerwohnung. Ich schaue mich um und sehe die Wohnung, ich weiß ganz genau, wo welche Möbel standen. Die Wohnung war unglaublich klein, trotzdem war sie groß genug für uns alle. Was wir nicht hatten, hat auch nicht gefehlt. Ich höre meine jungen Eltern reden, ihre Stimmen, die uns oft Sicherheit gegeben haben. Ich sehe mich in der Schule, nicht nur im Klassenzimmer, auch in der Bibliothek oder im Freizeitraum. Ich weiß nicht mehr, was mich damals genau interessiert hat, außer Musik. Ich glaube vieles, neugierig war ich immer und wissen wollte ich auch alles. Natürlich nur das, was mich selbst interessierte, nicht das, was mir beigebracht wurde. Ich sehe mich viel mit meinem Bruder und anderen Kindern im Park spielen. Ich war wirklich sehr viel draußen. Ich sehe mich bei meiner Familie in Kroatien und Serbien, wo mein Bruder und ich jeden Sommer waren. Ich sehe auch, dass ich kaum einmal ruhig sitzen konnte, ich musste immer etwas machen oder mich bewegen oder nur etwas sehen und entdecken. Auf der Bühne wachse ich schnell, ich sehe, dass mein Leben nicht immer einfach war. Meine Eltern haben es trotz aller Schwierigkeiten geschafft, uns zu guten Menschen zu erziehen und unbeschadet durchzubringen. Mein Leben spielt sich auf der Bühne ab, ich wachse, werde älter und finde mich in der Berufswelt wieder. Diese hat mich sehr verändert. Das Leben hat die Lockerheit verloren. Selbstverantwortung und Einsamkeit, damit musste ich zu dieser Zeit erst umgehen lernen. Entscheidungen musste ich für mich selbst treffen und es waren nicht immer die richtigen. Das war die Zeit, wo ich wusste, was Leben sonst noch bedeuten kann. Viele falsche Entscheidungen haben mein Leben und meine Gesundheit geprägt. Diese Zeit war lang und hart. Ich hatte aber einen Schutzengel. Er gab mir etwas, ich war etwa Mitte dreißig, das mein Leben verändert hat. Nicht sofort, aber ich begann, mein Leben zu ändern und lernte erst jetzt, richtige Entscheidungen zu treffen und die richtigen Gedanken zu haben. Ich begann viel zu lesen, zu schreiben und mich mit den Themen, die mich wirklich interessierten, zu beschäftigen. Im Laufe der Zeit ging es mir immer besser, bis heute, wo ich mit meinem Leben im Großen und Ganzen zufrieden bin. Vieles hat sich verändert, vieles habe ich zum Glück hinter mir gelassen, viele Gelegenheiten aber auch verpasst. Die Geister auf der Bühne, die meine eigenen sind, haben mir mein Leben gezeigt. Vom Anfang bis jetzt, wie ich zu dem Menschen wurde, der ich bin. Das Licht geht wieder an, ich kann das Theater verlassen. Geblieben sind Gedanken und Erinnerungen.
© Damir Strbac 2025-07-26