GEKLAUT VON OTTO

Marina B. Jung

von Marina B. Jung

Story

Wenn ich ganz verzweifelt bin, dann klaue ich. Dann klaue ich schamlos Zitate und Liedertexte aus Filmen, die ich ganz besonders mag. Denn das macht mich fröhlich. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen gar nix lief. In der Nacht hat mein Sohn im 90-Minuten-Takt nach seiner Mamamilch gerufen. Wir waren also beide ständig wach und am nächsten Morgen dementsprechend erledigt. Bei mir äußert sich das in einem starren, teilnahmslosen Blick. Und mein Baby jammert. Und plärrt. Im Wechseltakt. Die ganze Zeit. Besser wird es nur, wenn ich ihn herumtrage, oder für ihn singe. Deshalb hab’ ich auch heute wieder geklaut, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein paar Liederzeilen aus „Otto, der neue Film“, die ich irgendwie in den grauen Zellen meines Hirns reaktivieren konnte:

„Du bist der Hunger, ich bin der Durst,

du bist die Leber, ich bin die Wurst.

Du bist der Käfer, ich bin der Mai,

du bist der Spiegel, ich bin das Ei.

Du bist der Donner, ich bin der Blitz,

du bist die Pommes, ich bin der Fritz.

Du bist das FrĂĽhjahr, ich bin der Putz,

du bist der Schniedel, ich bin der Wutz.

Wir gehören zusammen, wie der Tag und die Nacht.

Uns hat der da oben füreinander gemacht!“

Tja, und das hat meinen Sohn dann beruhigt – zumindest für die Dauer des falsch geträllerten Songs. Weil singen kann ich eigentlich nicht. Aber das ist ihm Wurst. Für ihn bin ich immer seine ganz persönliche Mariah Carey mit ihren fünf Dings, also Oktaven, oder wie das heißt. Und meine Gage? Sein bezauberndes Lächeln mit 8 weißen Zähnchen.

© Marina B. Jung 2021-01-27